Hans-Heinrich Dieter

NATO-Mitglied Türkei   (27.10.2013)

 

Auf der NATO-Verteidigungsminister-Tagung vergangene Woche in Brüssel haben die Mitgliedstaaten erneut über vertiefte Kooperation und über Rüstungszusammenarbeit gesprochen. Der türkische Verteidigungsminister kennt die großen Herausforderungen, vor denen die NATO hinsichtlich der zukünftigen Einsatzfähigkeit der Streitkräfte der Mitgliedstaaten steht. Und die Türkei weiß, dass solche Probleme nur gemeinsam bewältigt werden können.

Die Türkei ist wichtig für die NATO und war über die Jahre ein zuverlässiger Partner. Das hat sich in den letzten Jahren geändert. Mit Erdogan ist eine starke Re-Islamisierung der Türkei zu beobachten. Die Türkei kooperiert mit dem Iran und unterstützt dessen Atomprogramm. Der türkische Nachbar hat Syrien noch als Freund und Partner gestützt, als schon lange offensichtlich war, dass Assad Truppen gegen die syrische Bevölkerung einsetzt. Und spätestens seit der israelischen GAZA-Blockade gebärdet sich die Türkei mit nahezu der Rhetorik totalitärer arabischer Staaten als erklärter Feind Israels.

Als Auswirkung dieser Politik legt die Türkei gegen die Teilnahme Israels am NATO-Gipfel im Mai 2012 in Chicago ihr Veto ein und begründet diese Aktion mit der noch ausstehenden Entschuldigung Israels für den Angriff auf den türkischen Gaza-Hilfskonvoi. Das führte zu Protestreaktionen einiger NATO-Mitglieder im Zusammenhang mit der Teilnahme von Ländern wie Ägypten, Mauretanien, Algerien und Marokko am Mediterranen-Dialog der NATO. Zum wiederholten Mal belastete die Türkei mit bilateralen Problemen das Bündnis.

Der Chauvinist Erdogan macht insgesamt aggressive Außenpolitik und verknüpft das mit Machtansprüchen wie "Unsere Interessen reichen vom Suezkanal bis zum Indischen Ozean." Erdogan stilisiert sich zur Symbolfigur eines muslimischen Frühlings. Gleichzeitig macht er Kanonenboot-Politik gegenüber Israel. Diese Politik erzeugt nicht nur bei den unmittelbaren Nachbarn Unruhe und Besorgnis.

Inzwischen ist der syrische Bürgerkrieg eskaliert und die militärisch starke Regionalmacht Türkei, die sich durch Syrien kaum ernsthaft militärisch bedroht sehen kann, hat die NATO trotzdem um Unterstützung für rein defensive Maßnahmen gegenüber Syrien gebeten. Der Deutsche Bundestag beschloss daraufhin mit großer Mehrheit die Entsendung von zwei Flugabwehrraketenstaffeln "Patriot" der Bundeswehr in den Süden der Türkei und rechtfertigte den Einsatz denn auch überwiegend als Ausdruck der Bündnissolidarität. Die deutschen Soldaten wurden von der Bevölkerung und vom türkischen Militär allerdings wenig gastfreundlich aufgenommen und es kam zu unerfreulichem Verhalten und Vorkommnissen seitens regional zuständiger hoher türkischer Offiziere.

Wenn sich starkes Selbstvertrauen aufgrund wirtschaftlicher Erfolge mit ausgeprägtem türkischem Nationalbewusstsein paart, werden manche Vertreter der Türkei sehr schnell unangenehm und schwer erträglich. Ministerpräsident Erdogan ist ein Muster eines solchen Politikers und sein EU-Minister Egemen Bagis, sein Außenminister und offenbar auch hohe Militärs sind nicht weniger unangenehm. Wir haben es also heute in der NATO mit einem eher nationalistisch bis chauvinistisch eingestellten unangenehmen Partner zu tun, der Solidarität fordert aber unsolidarisch handelt.

Nun will die Türkei chinesische Flugabwehrsysteme ausgerechnet von einer mit US-Sanktionen belegten chinesischen Firma kaufen. Als die NATO die Türkei lediglich davor warnte, Waffensysteme anzuschaffen, die mit der Ausrüstung der Partner nicht kompatibel sind, darüber hinaus möglicherweise ein erhebliches Sicherheitsproblem beim parallelen Einsatz mit NATO-Systemen darstellen, verbat sich Erdogan mit scharfen Worten jede Einmischung der Allianz in die souveränen Rüstungsentscheidungen der Türkei. Das unterbindet dann zunächst sachliche Auseinandersetzungen über ein gemeinsames Problem und verhindert gegebenenfalls eine gemeinsame Lösung mit nachteiligen Auswirkungen auf die Allianz..

Die NATO darf sich ein solches Verhalten nicht gefallen lassen und muss sehr deutlich machen, dass Solidarität keine Einbahnstraße sein kann. Die NATO braucht die Türkei zwar auch in Zukunft, allerdings nicht als vorwiegend muslimische Regionalmacht im Nahen und Mittleren Osten mit tendenziell nationalistischem Verhalten, sondern als den westlichen Werten aufgeschlossenes muslimisches Land, das sich als solidarischer Partner der Gemeinschaft versteht.

Mit Erdogan wird das nicht einfach. Die NATO darf sich aber von diesem, in Vorstellungen eines neuen Großosmanischen Reiches schwelgenden, Chauvinisten weder schlecht behandeln noch erpressen lassen. Die Politiker der Europäischen Union sollten solches türkisches Verhalten in der NATO sehr genau beobachten und daraus folgern, dass bei Wiederaufnahme der Beitrittsverhandlungen jegliches Aufweichen der Kriterien schlechte Auswirkungen haben wird. Sowohl die NATO als auch die EU haben bisher schon eine Reihe schwieriger Mitglieder, die gemeinsames, solidarisches und zukunftsorientiertes Handeln erschweren.

(27.10.2013)

 

 

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