Hans-Heinrich Dieter

NATO-Gipfel mit Trump   (28.05.2017)

 

Wer glaubte, dass Trump allmählich dazulernt und politisch langsam erwachsen wird, wurde auf dem NATO-Gipfel eines Besseren belehrt.

Man erwartete von Trump eigentlich, dass er die Gelegenheit nutzt, um sich schon vor dem G7-Gipfel als Präsident der einzigen militärischen Supermacht und der westlichen Führungsnation mit Konzepten in die Bewältigung der vielfältigen Probleme konstruktiv einbringt. Und man ging sicher davon aus, dass der US-Präsident so viel Anstand und Würde hat, dass er bei der Gedenkfeier für die Opfer des 11.September 2001 und für die Überwindung des Kalten Krieges die richtigen Worte findet und die Wertegemeinschaft der NATO und die gegenseitigen Beistandsverpflichtungen würdigt.

Nein, Trump nutzt die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit für die Wiederholung von Beschimpfungen der „unfairen“ europäischen NATO-Partner: „23 der 28 Mitgliedstaaten zahlen immer noch nicht das, was sie für ihre Verteidigung ausgeben sollten.“ Dabei erinnert er natürlich an das vereinbarte Ziel der NATO-Mitglieder, bis 2024 die Verteidigungs-Ausgaben allmählich aber stetig bis auf zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen. Und er wiederholt den Vorwurf, dass die Mehrheit der Mitgliedstaaten, insbesondere Deutschland, der NATO und den USA riesige Summen an Verteidigungskosten schulden.

Trump macht mit diesen Beschimpfungen erneut deutlich, dass er den Sinn der Wertegemeinschaft NATO zur gemeinsamen und solidarischen Vertretung der sicherheitspolitischen Interessen der westlich Welt nicht verstanden hat. Dabei lässt er auch die geopolitische und strategische Rolle der Bundesrepublik Deutschland für die USA und die gesamte westliche Welt in der Zeit des Kalten Krieges bis in die heutige Zeit unberücksichtigt. Die geopolitische und geographische Bedeutung Deutschlands für die USA heute wird auch dadurch dokumentiert, dass die militärischen Operationen und Aktivitäten der US-Streitkräfte in den Nahen und Mittleren Osten, nach Afrika und nach Osteuropa hinein ohne die Stationierung in deutschen Standorten nur sehr eingeschränkt möglich wären. Und Deutschland kommt zur Wahrung dieser „US-Eigeninteressen“ für ein Drittel der amerikanischen Stationierungskosten auf - was wären die USA ohne Ramstein Air-Base? Trump verschweigt auch, dass die hohen US-Verteidigungskosten nicht vornehmlich für die vermeintliche „Verteidigung Deutschlands“ ausgegeben wurden und werden, sondern in erster Linie für den Erhalt des Status der USA als einzige Superpower der Welt, zum Erhalt des Gleichgewichts der nuklearen Einsatzmöglichkeiten zwischen den USA und Russland und zum Ausbalancieren der Machtinteressen der aufstrebenden Pazifik-Supermacht China. Die USA investieren aber auch deswegen große Geldmengen in ihre Streitkräfte, um als Supermacht interventionsfähig zu bleiben. Ãœber ihren Verteidigungshaushalt finanzieren die USA auch ihre völkerrechtswidrige Intervention in den Irak mit den bekannten desaströsen Folgen und Folgekosten. Diese trumpsche, versuchte „Schuldeneintreiberei“ gegenüber Deutschland ist deswegen genauso dumm wie die Forderung an Mexiko, die „Trump-Mauern“ zu finanzieren!

Und wenn man die Verteidigungsinvestitionen der Mitgliedstaaten vergleicht, dann muss man auch gleiche Maßstäbe anlegen. Für Griechenland ist es relativ leicht, zwei Prozent seiner Wirtschaftsleistung (BIP) für Verteidigung auszugeben, weil das griechische BIP einen sehr geringen Umfang hat. Großbritannien liegt mit seinen Ausgaben über den zwei Prozent, investiert aber auch große Anteile in die nationalen Nuklearfähigkeiten. Die Türkei finanziert mit ihren Verteidigungsausgaben die Bekämpfung der Kurden und die völkerrechtswidrige und mit der internationalen Allianz nicht koordinierte Intervention gegen die Kurdische YPG. Und das sind nur einige Beispiele dafür, dass Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten bei weitem nicht nur der NATO zu Gute kommen. Deswegen ist es richtig, wenn Ministerin von der Leyen die Trump-Vorwürfe zurückweist: „Es gibt kein Schuldenkonto in der NATO.“

Deutschland wird aber von den USA nicht „erpresst“, wie die Opposition meint, wohl aber an seine jahrelangen sicherheitspolitischen Versäumnisse erinnert! Vereinbartes Ziel der NATO-Mitglieder ist es bekanntlich, bis 2024 die Verteidigungs-Ausgaben allmählich aber stetig bis auf zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung (BIP) zu erhöhen. Mit den jetzigen Planungen steigert Deutschland seine Investitionsmöglichkeiten in die Streitkräfte für 2018 zu geringfügig und das Plus von 8,3 Mrd. Euro im Zeitraum bis 2021 bleibt weit hinter den Vereinbarungen der NATO-Partner zurück. Deutschland wird mit dieser Planung in der NATO an Glaubwürdigkeit verlieren, insbesondere weil inzwischen auch die Partner wissen, dass die Bundeswehr ein „Sanierungsfall“ ist, der unter „planmäßiger Mangelwirtschaft“ leidet. Auch nach eigenen Aussagen von Verteidigungsministerin von der Leyen hat die Bundeswehr einen „riesigen Modernisierungsbedarf“ und der wird mit diesen Planungen bei weitem nicht zu decken sein, denn dafür bräuchte man einen jährlichen Aufwuchs um etwa 8 Milliarden Euro. Deutschland sollte sich seiner sicherheitspolitischen Verantwortung aufrichtig stellen.

Und wenn man sich das unsolidarische und isolationistische Verhalten der USA im Zuge des NATO- und des G7-Gipfels vor Augen führt, dann kann man durchaus skeptisch sein, ob die USA ihren Verpflichtungen des NATO-Vertrages in Zukunft auch nachzukommen bereit sind. Die NATO ist gut beraten, wenn sie sich darauf einstellt, zukünftig unabhängiger von einem möglicherweise nationalistischen Mitglied USA zu werden und trotzdem sicherheitspolitisch handlungsfähig zu bleiben. Das bedeutet aber, dass die Europäischen NATO-Mitglieder mehr Verantwortung übernehmen und ihre Streitkräfte auch einsatzfähig halten. Angesichts der militärischen Fähigkeiten des inzwischen aggressiv agierenden „Gegners“ Russland bedarf das großer Anstrengungen!

(28.05.2017)

 

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