Hans-Heinrich Dieter

Miserabler Journalismus   (30.04.2017)

 

Bei zwei kleinen Organisationseinheiten der Bundeswehr werden entwürdigende und sexistische Rituale aufgedeckt und dann natürlich durch Medien-Rituale verallgemeinert und skandalisiert. Und da unter hohem Zeitdruck offenbar alle voneinander abschreiben, potenzieren sich die fehlerhaften Darstellungen. Nicht wenige Medien stellen bei solchen Anlässen die Bundeswehr mit erkennbarer Freude unter „Generalverdacht“, den sie sonst bei jeder sich bietenden - auch vermeintlichen - Gelegenheit geißeln.

In einem Bataillon der Bundeswehr kommt es zu allzu „harten“ Ausbildungsmaßnahmen, über die sich Soldaten beim Wehrbeauftragten beschweren, und offenbar gibt es Verzögerungen bei der Aufklärung von Dienstpflichtverletzungen und das führt zum „Rauswurf“ des für die Ausbildung im gesamten Heer zuständigen Generalmajors Spindler. Der Kommentator Matthiesen vom Bonner Generalanzeiger - um eines von vielen Beispielen zu nennen - hält die Entscheidung der Verteidigungsministerin für richtig, „hart gegen Verantwortliche durchzugreifen, die sich nicht ausreichend um die Aufklärung von Beschwerden gekümmert haben und damit Mängel und unhaltbare Zustände erst möglich machten. Dass etwas schiefläuft in einer großen Organisation wie der Armee ist nicht verwunderlich. Die Sache wird aber erst zu einem Skandal, wenn niemand aus der Führung Konsequenzen zieht. Erstaunlich ist vor allem, dass hier Probleme in der Menschenführung zu erkennen sind, die die Geschichte der Bundeswehr von Anfang an begleiten.Eine moderne Armee kann nicht mit Methoden geführt werden, die einer längst vergangenen Epoche angehören und die schon damals falsch, ja fatal waren. … Die Bundeswehr wird im Jahr 2017 auch kein qualifiziertes und motiviertes Personal gewinnen, wenn sie ihren Nachwuchs in der Ausbildung schlecht behandelt. In Zeiten von Cyberabwehr und elektronischen Waffen sind Experten gefragt und nicht duckmäuserische Jasager. Das unvermeidbare Spannungsfeld zwischen Gehorsam und notwendigem kritischen Geist muss die Bundeswehr grundsätzlich neu ausloten. Sie verliert sonst den Kontakt zur Gesellschaft.“

Matthiesen zieht damit verallgemeinernde Rückschlüsse aus bedauerlichen Einzelfällen in der Großorganisation Bundeswehr und verleumdet die Vorgesetzten in der siebzigjährigen Geschichte der Bundeswehr als schlechte und unverantwortliche Ausbilder und Erzieher, die offensichtlich den duckmäuserischen Kadavergehorsam als Erziehungsziel anstrebten und unverbesserlich weiterhin verfolgen. Und eine solche ewig gestrige und verstaubte, entwicklungsunfähige Bundeswehr passt natürlich nicht mehr in unsere Gesellschaft. Matthiesen hat sehr schlecht beziehungsweise nicht recherchiert, sonst könnte er einen solchen journalistischen Auswurf nicht verbreiten - es sei denn er will der Bundeswehr schaden.

Und dann gibt sich ein Oberleutnant der Bundeswehr als Flüchtling aus, narrt erfolgreich mehrere Behörden und kann über längere Zeit unerkannt ein Doppelleben als anerkannter syrischer Asylant/Soldat der Bundeswehr führen. Ihm werden fremdenfeindliche Motive unterstellt, das macht ihn dann schon mal zum „Terror-Soldaten“. Der Fall beherrscht mehrere Tage die Politik und die Medien. Die am häufigsten gestellten Fragen sind: Wie konnten die Behörden so falsch entscheiden? Und ist extremistisches Gedankengut in der Bundeswehr ein Einzelfall? Weshalb sind die Kontakte des Soldaten in die rechte Szene so lange unentdeckt geblieben? Warum hat der Militärische Abschirmdienst die mutmaßlichen „extremistischen und fremdenfeindlichen Tendenzen“ des Soldaten nicht auf dem Schirm gehabt?

Matthiesen kommentiert das im GA vom 28.04.2017: „Es war wohl nur eine Frage der Zeit, bis jemand auf diese Weise das System ad absurdum führt. … Fragen stellen muss sich auch die Bundeswehr. … Hier ging es nicht um einen einfachen Soldaten, sondern um einen Offizier, der außerdem auch noch in einer besonderen Verwendung als Elitekämpfer ausgebildet wurde. Muss nicht besonders hingeschaut werden, wenn jemand als Kampfmaschine trainiert wird, als Experte in Sachen Waffen und Töten? Durchlaufen solche Männer nicht besondere, auch psychologische Prüfungen? Was taugen die, wenn ein Mensch sie durchlaufen kann, der offenbar über einen längeren Zeitraum zielgerichtet einen kriminellen terroristischen Plan verfolgt? Das Frühwarnsystem hat in jedem Fall komplett versagt.“ … Dann lässt sich M. über die Personalgewinnung aus und fügt an: „Mag sein, dass der Personalmangel die Truppe heute in Einzelfällen zu einer Großzügigkeit zwingt, die sie lieber nicht an den Tag legen sollte. …“ Matthiesen, immerhin Chefredakteur des Generalanzeiger, hat sich auch hier keine fundierte Meinung gebildet, sondern sich mögliche Zusammenhänge eher eingebildet. Der Oberleutnant wurde in Hammelburg als Teilnehmer eines Einzelkämpfer-Lehrganges festgenommen. Bei dieser Ausbildung werden besondere infanteristische Fähigkeiten vermittelt und das Durchhaltevermögen gestärkt, „Elitekämpfer“ gibt es nicht in der Bundeswehr. Vor einer Ausbildung zum Einzelkämpfer gibt es keine psychologischen Ãœberprüfungen, wer nicht geeignet ist fällt durch. Die Soldaten werden auf solchen Lehrgängen auch nicht zu „Kampfmaschinen“ oder zu „Experten in Sachen Waffen und Töten“ ausgebildet, in der infamen und verleumderischen Vorstellung von Matthiesen sollen hier wohl besonders talentierte „potentielle Mörder“ gezüchtet werden. Und besonders gemein ist dann die Unterstellung, dass die Bundeswehr zur Erfüllung von Nachwuchs-Quoten die rechten Augen großzügig zudrückt. Dieser miserable Provinz-Journalist sollte zur Kenntnis nehmen, dass der MAD nicht mit der Stasi der DDR zu vergleichen ist und die Bundeswehr kein Spitzelnetz in der Truppe unterhält. Solange es keinen begründeten Verdacht gibt, wird in der Bundeswehr nicht erschnüffelt, was ihre mündigen Angehörigen in der Freizeit machen. Und welcher demokratische Staat klopft schon alle Bediensteten ständig darauf ab, ob sie im Inland unter falschem Vorwand einen Asylantrag erfolgreich gestellt haben. In Deutschland herrschen Gott sei Dank keine türkischen Verhältnisse! Und bei Nachweis rechtsradikaler Einstellung und Tätigkeit, werden Soldaten aus der Bundeswehr entlassen.

Oppermann (SPD) nutzt die Sache für Wahlkampf und wirft im Fall des unter Terrorverdacht stehenden Bundeswehrsoldaten den zuständigen CDU-Ministern von der Leyen und de Maizière ohne Faktensicherheit pauschales Versagen vor: „Diese skandalösen Vorgänge in der Verantwortung des Innen- und des Verteidigungsministeriums müssen dringend aufgeklärt und für die Zukunft verhindert werden, sonst sind de Maizière und von der Leyen ein Sicherheitsrisiko für Deutschland.“ Und SPD-Generalsekretärin Barley behauptet ohne Bewiesgrundlagen: „Herr de Maizière und Frau von der Leyen haben ihre Läden nicht im Griff.“ … Auch im Verteidigungsministerium tanze die eigene Truppe der Dienstherrin auf der Nase herum. Das ist miserable Politik, die zu Wahlkampfzwecken nicht davor zurückscheut, die Truppe in Verruf zu bringen und zu verunglimpfen. Solche Politik ist auch Grundlage für den beispielhaft aufgezeigten miserablen Journalismus.

Und Frau von der Leyen hat mit ihrer öffentlichen Charakterisierung der Bundeswehr als „verstaubter Klub der Gestrigen“ Herrn Matthiesen eine Steilvorlage für seine unzutreffende und geradezu beleidigende Bewertung der „Probleme in der Menschenführung“ bei der Bundeswehr geliefert!

Mut macht aber auch die Erfahrung, dass es sehr leistungsfähige Journalisten gibt, vorwiegend bei der FAZ.

(30.04.2017)

 

 

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