Hans-Heinrich Dieter

Militärische Hilfspolizei?   (30.12.2015)

 

Allen Sonntagsreden und allen Beschönigungsmantras zum Trotz schafft es die deutsche Zivilgesellschaft offenbar doch nicht, größere Herausforderungen wie die Flüchtlingswelle zu bewältigen. Dabei wurden zahlreiche schwierige Aufgaben, wie die Integration und die soziale Absicherung der Flüchtlinge, noch nicht einmal angepackt. Angesichts von Flüchtlingskrise und Terrorgefahr wird daher der Ruf nach mehr Befugnissen der Bundeswehr im Inland wieder lauter. Einige Politiker der Union dringen daher auf eine Grundgesetzänderung zur Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inneren.

Derzeit kann die Bundeswehr bei Katastrophen und auch bei gravierender Gefährdung der inneren Sicherheit auf der Grundlage der Artikel 35 (Katastrophenhilfe) und 87a (Innerer Notstand) des Grundgesetzes – ohne Einsatz von Kriegsgerät - helfen. Die Streitkräfte haben das auch bei Katastrophen mehrfach engagiert und erfolgreich unter Beweis gestellt. Der Einsatz der Bundeswehr im Innern ist aber insgesamt an sehr strenge Voraussetzungen geknüpft. Wenn die Bundeswehr allerdings zukünftig mit Kriegsgerät und Kriegswaffen im Inneren der Bundesrepublik eingesetzt werden soll, dann muss das Grundgesetz entsprechend geändert und die Soldaten müssen für solche Einsätze ausgebildet werden.

Aktueller Anlass ist die Flüchtlingskrise mit deren Bewältigung unsere Verwaltung und unsere Behörden in teilweise peinlicher Weise überfordert sind. Deswegen sind an der „Flüchtlingshilfe“ derzeit bis zu 9000 Soldaten beteiligt. Zu ihren Aufgaben zählen der Aufbau von Unterkünften, Personentransport, Registrierung von Flüchtlingen und ihre medizinische Versorgung. Solche Hilfsarbeiten gehören nicht zum Auftragsspektrum der Streitkräfte und wir haben es ja auch nicht mit einer Katastrophe zu tun, sondern mit den Folgen konzeptionsloser, planloser, kopfloser und hilfloser deutscher Politik. Daher kann normalerweise noch nicht einmal „Katastrophenhilfe“ eingefordert werden.

Das reicht einigen Politikern der CDU/CSU offenbar nicht. Der CSU-Sicherheitsfachmann Florian Hahn fordert, dass Bundeswehr-Soldaten auch Flüchtlingsunterkünfte sichern sollen - also anstelle von zivilen Wach- und Sicherheitsdiensten. Der „Sicherheitsfachmann“ Hahn übersieht dabei, dass die Bundeswehr aus Personalmangel die meisten ihrer eigenen Kasernen nicht selbst sichert. Und CDU/CSU-Fraktionsvize Jung spricht sich sehr „allgemein“ für klare Kompetenzen der deutschen Streitkräfte bei der Terrorabwehr aus. Wenn der stark eingeschränkt begabte Jung diesbezüglich Vorschläge macht, sollte man sehr aufmerksam hinschauen, denn er hat 2007 schon einmal als Verteidigungsminister Maßnahmen vorgeschlagen die mit Grund- und Soldatengesetz nicht im Einklang waren.

Natürlich sollen und können die Politiker über neue Aufgaben für die Parlamentsarmee diskutieren. Es sollte aber Sinn machen und Verstand haben. Wir stellen gerade erneut fest, dass die Bundeswehr über Jahre in einen desolaten Zustand hineingespart wurde, dass sie nur bedingt personell und materiell einsatzfähig ist und dass sie mit den jetzigen Aufgaben und Auslandseinsätzen „am Limit“ ist. Der Wehrbeauftragte und der Bundeswehrverband fordern mehr Personal und die deutliche Erhöhung der verteidigungsinvestiven Aufgaben, da passt es wenig, über zusätzliche und neue Aufgaben zu palavern. Aufgabe der Politik ist es vielmehr endlich konkret zu definieren, welche Aufgaben die Bundeswehr künftig erfüllen soll. Für diese Aufgaben muss der gesetzliche Rahmen geschaffen werden und dann muss die Truppe endlich einmal verantwortungsbewusst finanziell, personell und materiell in die Lage versetzt werden, ihren Auftrag mit Aussicht auf Erfolg zu erfüllen und den Aufgaben voll gerecht zu werden. Das kann später auch die Unterstützung bei der Terrorabwehr umfassen.

Soldaten der Bundeswehr dürfen aber nicht missbraucht werden als „Hilfsarbeiter“ für überforderte Kommunen oder Behörden und auch nicht als „Hilfspolizisten“ ohne hinreichende Ausbildung und Befugnisse. Soldaten der Bundeswehr haben die äußere Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten, dafür sind sie verpflichtet und ausgebildet worden. Unsere Freiwilligenstreitkräfte sind auf qualifizierten Nachwuchs dringend angewiesen. Dieser Nachwuchs ist nicht zu gewinnen oder zu halten, wenn er längerfristig oder dauerhaft für auftragsfremde Hilfsdienste und als Lückenbüßer herhalten muss.

(30.12.2015)

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