Hans-Heinrich Dieter

Kritikwürdiger Journalismus   (02.02.2020)

 

Dem deutschen Journalismus geht es schlecht. Die Auflagen auch von Qualitätsmedien, wie der F.A.Z., des SPIEGEL oder der ZEIT, gehen stark zurück, Regional- und Kommunalmedien werden zusammengelegt, oder geben auf, und auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine tiefgreifende Glaubwürdigkeitskrise. Der deutsche Journalismus hat sich das selbst zuzuschreiben, denn die Digitalisierung wurde verschlafen und die Konkurrenz der sozialen Medien wurde zu lange arrogant missachtet und lieber als „asoziale Medien“ verunglimpft, anstatt sich dort qualitätssteigernd einzubringen. Und viele Medien leiden stark unter einem Vertrauensverlust, der darauf zurückzuführen ist, dass sich immer weniger Journalisten dem Presse-Kodex und somit wahrhaftiger Information verpflichtet fühlen, sondern „Haltungsjounalismus“ betreiben, bei dem die „richtige Haltung“ des links/rot/grünen Mainstream propagiert wird. Wenn es dem deutschen Journalismus wieder besser gehen soll, woran alle demokratisch orientierten Staatsbürger ein Interesse haben, müssen Journalisten, am Presse-Kodex orientiert, besser arbeiten!

Da finde ich es gut, dass Peter Carstens von der F.A.Z. auf der Grundlage des jüngsten Berichts des Wehrbeauftragten zum schlechten Zustand der Bundeswehr Stellung nimmt und die Politiker zum Handeln auffordert. Eine ganze Reihe seiner Aussagen sind jedoch kritikwürdig:

  1. „Es war wieder mal eine schlechte Woche für die Bundeswehr. Und es gab abermals gute Gelegenheit zum Auftrumpfen, für alle, die finden, Deutschland lasse seine Soldatinnen und Soldaten im Stich und die Bundesregierung unter Angela Merkel vernachlässige sträflich die Streitkräfte.“ Hier wird berechtigte Kritik gegenüber der sicherheitspolitisch desinteressierten Kanzlerin als „Auftrumpfen“ denunziert – und das von einem, der die Meinungsfreiheit doch hochhalten sollte.
     
  2. „Denn der Zustand der Truppe ist nach wie vor beklagenswert. Fünfundzwanzig Jahre lang wurde die Bundeswehr systematisch herabgewirtschaftet. … Generalität oder die Admirale widersetzten sich dem Sparauftrag nicht, im Gegenteil. Mancher goldene Stern wurde durch besonders dienstbares Abschaffen und Reduzieren erst verdient.“ Das ist eine sachlich nicht begründete Verleumdung. Bei seiner Recherche hat Carstens vergessen, dass in der Bundeswehr der Primat der Politik gilt, das Soldatengesetz öffentliche Kritik in starken Grenzen hält und die politische Leitung Offizieren vom Brigadegeneral aufwärts, die trotzdem öffentliche Kritik üben, nach dem Soldatengesetz durch Entzug des Vertrauens – ohne Begründung – in den einstweiligen Ruhestand schicken können. Und wenn Carstens schon „Generalität oder die Admirale“ pauschal als unterwürfige und vorteilsgeile Lakaien verleumdet, dann sollte er mutig Ross und Reiter nennen, damit die Herren ihn wegen übler Nachrede verklagen können.
     
  3. „Der letzte Sparminister, Merkels Vertrauter Thomas de Maizière musste gehen, es kamen Ursula von der Leyen und ihre Rüstungsstaatssekretärin Katrin Suder. Zwei Frauen an der Spitze des Verteidigungsministeriums, das war für manche alten Offiziere ein Schock, von dem sie sich nur langsam erholten. So ging wieder Zeit verloren.“ Hier verleumdet Carstens ältere Offiziere – es fehlt noch, dass er von alten weißen Männern gesprochen hätte – als nicht belastbar und genderphob. Und welche Symptome hatte dieser „Schock“ genau, welche Therapien waren erforderlich und warum war die Erholungsphase so lang? Das alles gehört doch zur wahrheitsgemäßen Information dazu – auch bei einem Kommentar in einem Qualitätsmedium! Und Carstens unterschlägt – möglicherweise als abhängiger Hauptstadtjournalist – dass von der Leyen eine erfolglose Ankündigungsministerin war, die keine ihrer Trendwenden, Finanzen, Personal und Material vorangebracht hat und in ihrer ersten Legislaturperiode den Verteidigungshaushalt auch nicht maßgeblich steigern konnte. Außerdem ist sie als Ministerin für die skandalöse Berateraffäre im BMVg verantwortlich und hat sich mutmaßlich dadurch strafbar gemacht, dass sie die Daten auf ihren Handys selbst gelöscht hat, oder auch hat löschen lassen, obwohl sie wusste, dass der parlamentarische Untersuchungsausschuss diese Beweismittel angefordert hatte. Sie hat außerdem Suder als Rüstungsstaatssekretärin eingestellt, die offenkundig nichts erreicht hat außer, dass sie gegen Regeln, Vorschriften und Gesetze mit ihr verbandelten aber offensichtlich gemessen am nachweisbaren Erfolg unfähigen Beratungsfirmen zu hohen Einnahmen verholfen hat. Ihr offenbar strafwürdiges Verhalten ist wohl sehr vielfältig, gemessen an der Vielzahl von kritischen Fragen, die sie vor dem Untersuchungsausschuss nicht beantworten konnte/wollte, weil sie die Sachverhalte angeblich vergessen hat. Viel schlimmer geht’s nimmer!
     
  4. „Die Abgeordneten ruinieren in dem sogenannten Untersuchungsausschuss den Ruf der beiden engagiertesten Kämpferinnen für eine modernisierte Truppe, die es in Jahrzehnten gab. So ging es die ganze Zeit: Widerstand statt Unterstützung, selbst bei der Union. Deren Abgeordnete fragten im Ausschuss mit einer Schärfe, als stünden von der Leyen und Suder im Verdacht, für die Russen zu arbeiten. Oder, aus Sicht der SPD noch schlimmer: für McKinsey.“ Carstens verunglimpft den Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, zusammengesetzt von gewählten Volksvertretern, die der Wahrheit verpflichtet einen Skandal aufklären wollen als „sogenannten Untersuchungsausschuss“ und bezichtigt die Abgeordneten der Rufschädigung. Und dann macht er – wie auch immer vergütet – Propaganda für zwei der größten Versagerinnen der bundesdeutschen Militärgeschichte, in dem er von der Leyen und Suder als die „beiden engagiertesten Kämpferinnen für eine modernisierte Truppe, die es in Jahrzehnten gab“ bejubelt.

Das ist ein Beispiel für schlechten Journalismus, das weiteres Vertrauen kosten wird. Erfreulich, dass es Gabor Steingart, die NZZ und auch in der F.A.Z. noch einige gute Journalisten gibt, wie zum Beispiel Reinhard Müller, der gerade zum Thema „Bundeswehr elitär“ geschrieben hat. Herr Müller sollte seinem etwas schwachen Kollegen etwas unter die Arme greifen, sonst wird das nichts mit der erforderlichen Steigerung der Auflage!

(02.02.2020)

 

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