Hans-Heinrich Dieter

Italienische Verhältnisse   (01.10.2013)

 

Italien ist ein herrliches europäisches Land voller kostbarer Kultur und wunderschöner Natur. Man könnte sich dort pudelwohl fühlen, wenn es in dieser schönen und kulturträchtigen Umgebung nicht so viele Demokratie-unfähige Bürger gäbe.

Der frühere Regierungschef Berlusconi, mittlerweile rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilt, macht Italien zur Geisel seiner höchstpersönlichen Interessen. Ein verurteilter Krimineller knebelt eine italieniche Koalitionsregierung mit populistischen Parolen, die er seit Jahrzehnten nutzt. Er erpresst die Mitglieder seiner Partei und etwa ein Drittel der Wähler der drittgrößten EU-Volkswirtschaft geht dem "Cavaliere" mit seiner erkennbar ungezügelten kriminellen Energie auf den Leim. Der Egomane Berlusconi ist bei seinen politischen Machenschaften nicht am Wohl Italiens und seiner Bürger und schon überhaupt nicht an der Zukunft Europas interessiert, sondern ausschließlich an sich und seiner politischen Zukunft, außerhalb von Gefängnis oder Hausarrest. Und die Parteimitglieder machen das naiv oder aus Eigeninteresse mit. Berlusconi ist eine Schande für Italien und Europa und seine Anhänger aus der Partei mit dem zynischen Namen 'Volk der Freiheit' sind kaum weniger schändlich. Sie finden offenbar nichts dabei, wenn ihr "Duce" das höchstrichterliche Urteil gegen sich einen 'Staatsstreich' nennt und Minister seiner Partei regelrecht als Saboteure missbraucht

Schwer nachvollziehbar ist aber auch das italienische politische System. Das Land lässt sich von einem skrupellosen Politiker und greisen Milliardär wie Silvio Berlusconi regelrecht am Nasenring durch die Manege ziehen. Und statt im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise, die Italiens Regierung an den Rand des Scheiterns geführt hat, gemeinsam nach Lösungen für das italienische Volk zu suchen, gelingt es den beiden großen Parteien nicht, ihre gegenseitige Abneigung zu überwinden und als verlässliche Verbündete dauerhaft zusammenzuarbeiten. Und ein Ausschuss des italienischen Senats braucht mehr als eine Woche, um mehrheitlich festzustellen, dass auch auf diesen kriminellen "Cavaliere" Recht und Gesetz anzuwenden ist, wonach er als verurteilter Verbrecher für einige Jahre keine politischen Ämter ausüben darf. Das italienische politische System und der Charakter nicht weniger politischer Akteure lässt eine Selbstparalyse Italiens offenbar leicht zu. Das ist auch zum Nachteil für Europa und seine Bürger.

In den USA stehen sich auch zwei große Volksparteien in einem "kaputten Politikbetrieb" unversöhnlich gegenüber. Die US-Verwaltung ist zunächst durch den "shutdown" in Teilen nicht arbeitsfähig. Mitte Oktober stürzen die USA möglicherweise über die Fiskalklippe und erleben einen Staatsbankrott mit folgender Rezession und wahrscheinlich gravierend negativen Auswirkungen auf die Weltwirtschaft und natürlich auf das kriselnde Europa. Die Führungsnation USA wird aufgrund der stark ausgeprägten Egoismen der politischen Gegenspieler ohne Rücksicht auf die Nation, die Bürger und die Weltwirtschaft selbst zu einem Problem und verliert Glaubwürdigkeit und Legitimation als Führungsmacht. Die Bürger der USA haben nicht gerade italienische aber schlimme Verhältnisse vor sich.

Im Vergleich zu italienischen - oder schlimmer noch griechischen - Verhältnissen geht es uns in Deutschland scheinbar gut. Aber der Schein trügt, zumindest gemessen an unseren demokratischen und politischen Standards. Denn das Verhalten im Bundestags-Wahlkampf und danach entspricht solchen Standards nicht wirklich.

Bei demokratischen Wahlen geht es ja darum, dass man Mehrheiten schafft, den Wählerwillen anerkennt und dann aber doch danach trachtet, die eigenen Überzeugungen zum Wohle der Bürger auch in konkrete Politik der nächsten Legislaturperiode einzubringen. Dafür haben die Wähler ja doch die jeweilige Partei gewählt. Bei dem Kanzlerkandidaten der SPD und Egoisten Steinbrück sind da die Gewichte anders gelagert. Er postuliert schon im Wahlkampf, "eine große Koalition ist mit mir nicht zu machen", er unterstreicht das mit solch platten Sprüchen wie "Sekt oder Selters" und findet sich auch noch gut. Er will damit sagen, dass er im Falle eines Wahlsieges der CDU aus egoistischen, persönlichen Gründen als Juniorpartner nicht koalitionsfähig ist und sozialdemokratische Überzeugungen nicht in die Regierungsarbeit einbringen will. Gut, dass dieser "Demokrat" in der deutschen Spitzenpolitik keine Rolle mehr spielen wird. Nun muss der Bundestagspräsident nur darauf achten, dass der möglicherweise erneut vortragsreisende Raffke Steinbrück, seine Pflichten als Abgeordneter des deutschen Bundestages nicht erneut eklatant vernachlässigt.

Aber der Rest der SPD ist nicht deutlich besser. Die Sozialdemokraten haben aus der Opposition heraus das zweitschlechteste Ergebnis erzielt und der Vorsitzende Gabriel versucht das in einen Erfolg umzumünzen. Die SPD sagt, sie sei für den Politikwechsel angetreten. Die Bürger wollen aber keinen Politikwechsel, denn sie trauen weder der SPD noch seinem Vorsitzenden erfolgreiche Arbeit als größte Regierungsfraktion zu. Die Bürger wollen eine große Koalition, damit auch im Zusammenhang mit den Mehrheitsverhältnissen im Bundesrat angesichts der instabilen Lage in Europa in Deutschland stabile und krisenfeste politische Verhältnisse herrschen. Und etwas über zwanzig Prozent der Bürger wollen, dass sozialdemokratische Ziele in die Regierungsarbeit eingebracht werden. Und was macht die SPD? Die Arbeiterpartei Deutschlands ziert sich. Sie will nicht Juniorpartner der CDU werden, weil sie Angst hat, durch die politische Kraft der Kanzlerin Merkel unterdrückt zu werden und sich nicht profilieren zu können. An staatspolitische Verantwortung erinnert, spielt die SPD auf Zeit, schraubt schon mal die Forderungen hoch und träumt öffentlich von sechs Ministerposten. Der sehr wenig freundliche Oppermann soll Finanzminister werden, die Antipathieträgerin Schwesig soll das Familienministerium bekommen und Gabriel, dem niemand in der SPD Kanzler zutraut, will Arbeitsminister und Vizekanzler werden. Das bringt natürlich den Ex-Gewerkschaftsboss Wiesehügel auf den Plan, dem man im Kompetenzteam von Steinbrück das Arbeitsressort zugesprochen hat. Der Arbeiterführer hat noch nicht realisiert, dass Steinbrück die Wahl krachend verloren hat. Und so weiter und so weiter...  Es geht nicht - wie immer wieder gelogen - um Inhalte und um die Zukunft Deutschlands, es geht den Egoisten um Posten und um den möglichst schönen Schein der Partei. Und dann meint Frau Nahles auf Zeit spielen zu können und avisiert schon einmal den Januar als Zeitraum für eine Regierungsbildung.

Die Grünen sind so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie derzeit nur sehr eingeschränkt koalitionsfähig sind. Und die Union sollte sich - wenn möglich - eine Zusammenarbeit mit den irrlichternden Bevormundern, Ernährungsberatern und Besserwissern, die in Baden Württemberg und in Nordrhein Westfalen gerade vormachen, wie man herunterwirtschaftet, nicht antun. Starken Forderungen der Grünen an Koalitionsverhandlungen sollte sich die CDU auf keinen Fall hingeben.

Aber auch die CDU/CSU verhält sich laien- bis tölpelhaft, stellt sich selbst Beine und taumelt mit absolut unnötigen Vorfestlegungen und sofort folgenden Dementis sowie schwachen Gegendarstellungen den ersten Sondierungsgesprächen entgegen. Die Partei mit über 40 Prozent der Wählerstimmen rechtfertigt in dieser Phase das Vertrauen der Wähler leider nicht.

Schlimm ist, dass die beiden großen Volksparteien, die inhaltlich so weit nicht auseinanderstehen, ihre gegenseitige politische Abneigung nicht so richtig überwinden und als verlässliche Verbündete dauerhaft zum Wohle Deutschlands und Europas zusammenarbeiten wollen. Und wenn der neue Bundestag seine konstituierende Sitzung Ende Oktober hat und die SPD eine Zeitspanne bis Januar für eine Regierungsbildung ins Auge fasst, dann mutet das eher bananenrepublikanisch an. Wenn es tatsächlich so kommen sollte , dann blamieren wir uns als eine der Führungsnationen in Europa bis auf die Knochen. Solche politische Unfähigkeit ist dann auch nicht mit der selbstverständlich immer gebotenen "Gründlichkeit" zu entschuldigen.

Der Souverän hat entschieden, der Wählerwille ist ernst zu nehmen, die Bürger sind im Wahlkampf lange genug hingehalten sowie wichtige Entscheidungen auch in Europa sind bis nach der Wahl verschoben worden. Deswegen reicht es auch nicht, eine "amtierende" Regierung zu haben. Deutschland und Europa brauchen eine voll verantwortliche und voll funktionsfähige deutsche Bundesregierung, denn die nächsten Krisen warten nicht bis die SPD sich zu Ende geziert und ihre Angst vor der Verantwortung überwunden hat. Europa hat genug italienische Verhältnisse!

(01.10.2013)

 

 

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