Hans-Heinrich Dieter

Internationale Verantwortung   (27.01.2014)

 

Verteidigungsministerin Von der Leyen will neue Akzente für die Bundeswehr in der Sicherheitspolitik setzen und vor allem mit gleich mehreren Interviews am Wochenende Schlagzeilen produzieren.

Ihre Offensive für eine familienfreundlichere Bundeswehr ist inzwischen bekannt, nun wird zu beobachten sein, wieviel Geld die Ministerin in den nächsten Jahren in die Hand nehmen will oder vom Finanzminister genehmigt bekommt, um erste Zwischenziele im gut gemeinten Angriff zu erreichen. Die Bundeswehr ist - und bleibt wohl angesichts der Schuldenbremse - unterfinanziert, da kommt es leicht zwischen dem guten Willen, dem sehr schnellen Wort und einer erfolgreichen Tat zu erheblichen Diskrepanzen.

Ihre Vision von einer stärkeren Zusammenarbeit und einer Verteilung der Aufgaben auf EU-Ebene geht von einer richtigen gedanklichen Basis aus: "Europa kommt im Spiel der globalen Kräfte nicht voran, wenn die einen sich immer dezent zurückhalten, wenn es um militärische Einsätze geht, und die anderen unabgestimmt nach vorne stürmen." Wichtig sei eine europaweite Gesamtstrategie: "Wir Europäer müssen uns besser abstimmen."  Und Frau von der Leyen glaubt langfristig an die Existenz einsatzbereiter europäischer Streitkräfte: "... gemeinsame Streitkräfte werden eine logische Folge einer immer stärkeren militärischen Zusammenarbeit in Europa sein." Ein starker Glaube kann hilfreich sein, verändert aber die Realität in internationalen Zusammenhängen nicht oder nur sehr geringfügig. Und die Realität zeigt, dass Europa von einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik - oder gar europaweiten Gesamtstrategie - noch Lichtjahre entfernt ist, die nationalen Egoismen der Mitgliedstaaten - allen voran Frankreich und Großbritannien - eine engere Zusammenarbeit in der Verteidigungspolitik und Rüstungszusammenarbeit ständig verhindern und der augenblickliche Trend in den Mitgliedstaaten eher zu einer Renationalisierung als zu tieferer Integration geht. Die Europäische Union ist nach den Worten des EU-Parlaments-Präsidenten in einem "erbärmlichen Zustand" und da gibt es zunächst dringendere Baustellen. Für Frau von der Leyen als Verteidigungsministerin wird diese Vision in ihrer Amtszeit reine Vision bleiben. Außer Schlagzeilen also wenig gewesen.

Ihre Vorstellungen, dass Deutschland im Rahmen der Bündnisse mehr internationale Verantwortung übernehmen müsse, sind da schon konkreter. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Kultur deutscher militärischer Zurückhaltung durch ein stärkeres internationales Engagement der Bundeswehr überwinden. Für die Aufstockung des Bundeswehreinsatzes in Mali macht sie da schon genauere Angaben: "Derzeit liegt die Mandatsobergrenze bei 180 Mann, 99 Soldaten sind vor Ort. Dieses Engagement könnten wir verstärken, das erwarten auch unsere Verbündeten, allen voran die französische Regierung. Ich könnte mir vorstellen, dass das Mandat auf bis zu 250 Mann aufgestockt wird." Außerdem möchte sie den von den EU-Außenministern kürzlich beschlossenen Militär-Einsatz in Zentralafrika mit einem Lazarett-Airbus unterstützen, weil wir nicht zur Seite schauen könnten, wenn Mord und Vergewaltigung an der Tagesordnung seien. Eine wenig stichhaltige sicherheitspolitische Begründung.

Kaum ist die Verteidigungsministerin konkret, wird sie öffentlich von Außenminister Steinmeier im Hinblick auf Zahlen und militärische Fähigkeitsangebote zurückgepfiffen. Der Diplomat macht deutlich, dass Europa sich im Hinblick auf die Afrikamissionen derzeit lediglich im Prozess der politischen und militärischen Willensbildung befindet.Nach Angaben von Entwicklungsminister Müller hingegen arbeitet die Bundesregierung derzeit sogar an einer neuen Strategie für ihre Afrika-Politik.

Hier wird im Zusammenhang mit der Übernahme stärkerer internationaler Verantwortung durch Deutschland das langjährige Dilemma deutlich: Wir haben keine vitalen Interessen, wir haben keine klaren Vorstellungen von unseren möglichen Rollen in einer globalisierten Außen- und Sicherheitspolitik, wir verfügen über keine Strategien für unsere Auslandseinsätze, kurz Deutschland hat keinen wirklichen und möglicherweise wirkungsvollen politischen Plan. Darüber hinaus reden wir von vernetzter Außen- und Sicherheitspolitik unter Federführung des Auswärtigen Amtes und erleben erneut im Zusammenhang mit dem deutschen Afrikaengagement unabgestimmtes unprofessionell wirkendes Regierungsverhalten.

Auch Ex-Verteidigungsminister de Maizière hat mehrfach vollmundig von größerer internationaler Verantwortung und vom weltweiten Einsatz der Bundeswehr gesprochen. Frau von der Leyen greift seine diesbezügliche Wortvielfalt auf, möglicherweise ohne noch zu wissen, dass die politischen Rahmenbedingungen und die militärischen Fähigkeiten der Bundeswehr die Realisierung solcher Ankündigungen noch lange nicht zulassen. Worte und mögliche Taten passen nicht zusammen.

Frau von der Leyen hat anfänglich gesagt, sie habe einen "Mordsrespekt" vor der Aufgabe. Ein solcher Respekt verlangt eine verantwortungsvollere Abstimmung der Regierungsaufgaben im Kabinett, eine stärkere Grundlagenarbeit im Hinblick auf zielorientierte Außen- und Sicherheitspolitik und eine intensivere Befassung mit den derzeitigen Fähigkeiten der Bundeswehr sowie den haushalterischen Möglichkeiten zur Beseitigung von Fähigkeitsdefiziten. Irgendwann sollten dann politsche Worte und mögliche Taten zueinander passen!

(27.01.2014)

 

 

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