Hans-Heinrich Dieter

Illusionen und Friedenseuphorie (04.06.2011)

 

Wo passen Illusionen und Friedenseuphorie besser hin als auf einen evangelischen Kirchentag, wo der Traum von einer besseren Welt die Teilnehmer bewegt? Deswegen darf von den Diskussionen mit sicherheitspolitischer Thematik auf dem 33. Kirchentag in Dresden auch nicht allzu viel erwartet werden. Und es darf nicht allzu viel erwartet werden, weil Pastorin Käßmann  als Kirchentag-Super-Star ihre Auftritte hat.

Es ist nicht auszuschließen, dass die Taliban ihre Anschläge gegen unsere Soldaten zeitlich ein wenig auf den Kirchentag in Deutschland abgestimmt haben. Denn gefallene und verwundete deutsche Soldaten sind für manche Friedenseuphoriker nicht unbedingt ein Grund zu tiefer Trauer, sondern eher Anlass für das Säen von Zweifeln sowie Schüren von Unsicherheit hinsichtlich des Afghanistaneinsatzes und für teilweise diffamierende und beleidigende Kritik an der Erfüllung des Parlamentsauftrages durch die Bundeswehr. Deswegen leistet ein solcher Kirchentag aus Sicht der Taliban auch willkommene Unterstützung. Das muss noch nicht einmal an der Aussage von Käßmann festgemacht werden, man solle mit den Taliban beten, statt sie zu bombardieren.

Eigentlich ist Frau Käßmann zu jung für Altersstarrsinn. Sie hat aber aus der Diskussion nach ihrer Weihnachtspredigt 2009 in Dresden nichts gelernt, oder sie will vielmehr nichts lernen, weil sie ihre Polemik von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung gestützt weiß. Deswegen erinnerte Käßmann auch nur zu gerne und ohne Scham an ihren Satz "Nichts ist gut in Afghanistan" mit dem sie damals eine heftige politische Debatte über Auslandseinsätze der Bundeswehr ausgelöst hat. Da ist es gut, dass ihr Gesprächspartner, der Bundestagsabgeordnete der Grünen Tom Koenigs offen, ehrlich und schnörkellos zum Ausdruck brachte, dass er sich durch ihre Äußerungen zum deutschen Engagement in Afghanistan persönlich beleidigt gefühlt habe, denn unglaublich viele Menschen in Afghanistan würden sich für das Gute einsetzen. Und das ist ja keine einsame Stimme. Ihre oberflächlichen und falschen Pauschalurteile haben auch den Dienst unserer Soldaten in Afghanistan stark herabgewürdigt. Zwei 2009 in Afghanistan stationierte Militärdekane warfen ihr damals sogar öffentlich vor, „sie habe deutsche Soldaten beleidigt, ihnen die Solidarität aufgekündigt und moralischen Rückhalt entzogen.“ So etwas ficht Käßmann nicht an, solchen Gefühlen gegenüber ist sie mitleidlos.

Und Diskussionen über ungerechte Kriege und gerechten Frieden dürfen natürlich auf solchen klerikalen Wohlfühlveranstaltungen nicht fehlen. Die Frage muss aber erlaubt sein, was erreicht wird, wenn der vermeintlich ungerechte Krieg gegen die islamistischen Extremisten nicht geführt wird. Ein in unserem Sinne gerechter Frieden wird mit Sicherheit nicht erreicht, sondern Anarchie und menschenverachtender Steinzeit-Islamismus. Das ist nur aus der Sicht der Taliban gut für Afghanistan. Die Pastorin macht wenig christlich und fürsorglich auch mit dieser Diskussion unsere Soldaten, die unter Einsatz ihres Lebens solche menschenverachtenden Lebensbedingungen für die afghanische Bevölkerung verhindern wollen, zu "Tätern". Das überrascht bei einer Veranstaltung der evangelischen Kirche in einem Land, in dem Soldaten ungestraft als Mörder bezeichnet werden dürfen, allerdings nicht wirklich.

Da hat Verteidigungsminister de Maizière schon einen christlicheren Zugang zu solcher Problematik, wenn er auf diesem Kirchentag fordert, für Opfer und Täter gleichermaßen zu beten. Aus seiner Sicht sind allerdings dankenswerterweise die Taliban die Täter.

Illusionen, Friedenseuphorie und Träume von einer besseren Welt helfen den teilnehmenden Menschen individuell möglicherweise weiter, auch ihre persönlichen Probleme zu bewältigen. Für die Bewältigung von realen gesellschaftlichen Problemen in der grausamen Wirklichkeit Afghanistans sind sie untauglich. Schädlich sind Friedenseuphorie und Illusionen, wenn sie polemisch und auch teilweise demagogisch benutzt werden, solche Menschen zu diffamieren, die sich real für eine bessere Welt zum Beispiel in Afghanistan einsetzen. Eine bessere Welt wird im leidgeprüften Afghanistan letzten Endes natürlich nicht ohne eine innere Aussöhnung der gesamten Bevölkerung dauerhaft gestaltet werden können. Dafür müssen aber die politischen und gesellschaftlichen Voraussetzungen geschaffen werden und das geht nicht, ohne dass die Taliban erfolgreich bekämpft und so an den Verhandlungstisch gebracht werden. Für Realpolitik wird allerdings auf dem Kirchentag kein Verständnis geweckt werden können.

Ein gutes Beispiel für die Sinnlosigkeit solcher Bemühungen ist die scharfe Kritik des EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider an den Ausführungen de Maizières zu den Verteidigungspolitischen Richtlinien im Zusammenhang mit der  Bundewehrreform: "Wir dürfen die Bundeswehr nicht zum Instrument einer Kanonenbootpolitik in neuer Form machen."

Dabei hat der Verteidigungsminister in seiner Regierungserklärung Deutschland lediglich gedanklich auf mehr und gegebenenfalls auch intensivere Auslandseinsätze vorbereitet. Da bezeichnet de Maizière Deutschland als starken und verlässlichen Partner in der Welt, der Einsatz von deutschen Streitkräften sei auch als Mittel der Politik zu verstehen und internationale Verantwortung sei auch durch militärische Beteiligung wahrzunehmen. Und der Verteidigungsminister sagte an anderer Stelle auch: "..., Soldaten sind Teil der Außenpolitik, und ein politischer Prozess muss begleitend zum Einsatz von Soldaten stattfinden – nicht nur klassische Außenpolitik, sondern auch Wirtschaftspolitik, Entwicklungszusammenarbeit, gegebenenfalls Finanzpolitik, Sanktions- und Nachbarschaftspolitik." Warum Schneider das als "Kanonenbootpolitik in neuer Form" geißelt, wird er beantworten können. Verstanden hat er die politischen Aussagen nicht. Beißende Kritik ohne Verstand wird nur von Gleichen gewürdigt werden.

Die evangelische Kirche sollte besser bei ihren Leisten bleiben und eher versuchen, ihre vielfältigen Probleme zu bewältigen, als durch weniger kirchliche und manchmal auch weniger christliche Diskussionen von diesen Problemen abzulenken.

(04.06.2011)

 

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