Hans-Heinrich Dieter

Hubschrauber für Spezialkräfte  (22.08.2012)

 

Verteidigungsminister de Maizière hat sich im Juli 2012 in einem Interview mit dem MDR-Hörfunk dafür stark gemacht, dass Deutschland angesichts der sicherheitspolitischen Weltlage seine internationale Verantwortung als Führungsmacht in Europa weltweit wahrnimmt. Deutschland dürfe es an Solidarität bei Mandaten der UN im Rahmen der NATO nicht fehlen lassen und müsse die Bundeswehr entsprechend im Rahmen der internationalen Staatengemeinschaft einsetzen.

Wenn Deutschland seiner sicherheitspolitischen Verantwortung zukünftig gerecht werden will, dann müssen die Voraussetzungen für die Wahrnehmung weltweiter militärischer Verantwortung geschaffen werden. Solange der Bundeswehr adäquat leistungsfähige Aufklärungs- und Führungsmittel, Rettungshubschrauber, Kampfhubschrauber, geschützte Fahrzeuge und Lufttransportkapazität für eigenverantwortliche Einsätze fehlen, muss das Ergebnis der nüchternen Lagebeurteilung lauten: Der Bundeswehr fehlen derzeit noch wichtige Fähigkeiten zur Wahrnehmung der angestrebten weltweiten militärischen Verantwortung. Das gilt leider auch für die deutschen Spezialkräfte.

Die Soldaten des Kommando Spezialkräfte sind im besten Sinne des Wortes Elite und wollen "einsatzbereit – jederzeit – weltweit" sein. Und diese besondere Truppe ist nicht nur ein strategisches Mittel in der Hand des Parlamentes sondern auch sicherheitspolitischer Ausdruck der Souveränität der wiedervereinigten europäischen Mittelmacht Deutschland mit stark gestiegener außenpolitischer Verantwortung. Viele Politiker haben das noch nicht richtig verstanden und auch einige Militärs wissen mit diesem sicherheitspolitischen Instrument offenbar noch nicht angemessen umzugehen.

Entsprechend der gültigen NATO-Doktrin sind Spezialkräfte für militärische Operationen verfügbar zu halten, die wegen der Besonderheit und politischen Bedeutung des Auftrages, wegen der Besonderheiten der – ggf. auch verdeckten und mit hohem Risiko verbundenen – Aufgabenerfüllung sowie der Bedeutung der Ziele der Operationen nach anderen Grundsätzen und Verfahren durchgeführt werden müssen als Einsätze herkömmlicher Truppen. Und in diesem Zusammenhang hat Deutschland der NATO versichert, ab 2013 an internationalen Einsätzen von Spezialkräften teilzunehmen. Solche Einsätze im Spektrum vom Gewinnen spezifischer, zeitkritischer Informationen mit strategisch-operativer Bedeutung, über offensive Maßnahmen zur Abwehr terroristischer Bedrohung und Bekämpfung subversiver Kräfte, bis hin zur Befreiung von Personen aus Geiselhaft - unter Anwendung militärischer Gewalt - erfordern besondere Fähigkeiten, besonders ausgesuchtes, körperlich besonders leistungsfähiges und psychisch besonders stabiles Personal mit einem Ausbildungs- und Einsatzbereitschaftsstand, der höchsten militärischen Ansprüchen genügt. Solche Einsätze erfordern wirkliche Profis. Und wirkliche Profis brauchen auch die entsprechende Bewaffnung und Ausrüstung, um im Auftrag der Bundesrepublik Deutschland erfolgreich zu sein. Und derartige Missionen setzen die Verfügbarkeit eigenen Lufttransportraumes voraus. An einem solchen Light Utility Helicopter (LUH) für die Kommandosoldaten fehlt es seit Jahren. Und das ist nicht die einzige gravierende Fähigkeitslücke.

Das BMVg will im September 2012 über die Beschaffung von 15 solcher Hubschrauber entscheiden. Danach wird üblicherweise aufwändig und intensiv geprüft, welcher Hubschrauber den "Anforderungen" genügt, dabei sind geeignete und bewährte Helicopter auf dem Markt verfügbar. So wird es wohl bis 2015/16 dauern, bis die Spezialkräfte über die ersten Hubschrauber verfügen können.

Bis dahin kann Deutschland den eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der NATO nicht gerecht werden. Die deutschen Spezialkräfte werden wie heute schon in Afghanistan in Bezug auf Luftbeweglichkeit in höchstem Maße von verbündeten Spezialkräften abhängig sein, bzw. risikoreicher zu Fuß oder mit Fahrzeugen eingesetzt werden müssen.

Deutschland spielt in der internationalen Staatengemeinschaft einmal mehr und in mehrfacher Hinsicht eine peinliche Rolle. Der wirtschaftliche Riese erweist sich erneut als außen- wie sicherheitspolitischer und militärischer Zwerg. Deutsche Politiker reden theoretisch das Richtige, werden aber dann der damit verbundenen Verantwortung nicht gerecht. Und es kann nicht sein, dass Deutschland seine schon vor Jahren gemachten Zusagen gegenüber der NATO nicht einhält.

Der Deutsche Bundestag weiß inzwischen, dass er die Staatsbürger in Uniform entsprechend bewaffnen und ausrüsten lassen muss, wenn er sie in kriegsähnliche Einsätze schickt. Da müssen die Volksvertreter das Verteidigungsministerium nachhaltig in die Pflicht nehmen. Die deutschen Spezialkräfte brauchen die für erfolgreiche Auftragserfüllung erforderlichen Hubschrauber bis 2013.

(22.08.2012)

 

 

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