Hans-Heinrich Dieter

Globalpolitische EU?   (23.09.2021)

 

Im Hinblick auf Außen- und Sicherheitspolitik erklärte EU-Kommissions-Präsidentin von der Leyen kürzlich bei ihrer „State oft the Union“-Rede, sie wolle Europa in enger Zusammenarbeit mit der NATO militärisch stärken und plädierte für den Ausbau einer Europäischen Verteidigungsunion. Dazu bereite die EU-Kommission eine gemeinsame Erklärung mit dem transatlantischen Bündnis vor.

US-Präsident Biden hat diese Erklärung nicht gelesen oder einfach nicht ernst genommen, sonst hätte er doch wohl die EU oder wenigstens die europäischen NATO-Mitgliedsstaaten in die Verhandlungen für das neue Sicherheitsbündnis AUKUS zwischen Australien, den USA und als Juniorpartner auch Großbritannien im Indopazifik einbezogen. Insbesondere Frankreich wird dadurch sicherheitspolitisch geschwächt sowie wirtschaftlich beeinträchtigt und hat entsprechend harsch reagiert. Das neue Sicherheitsbündnis soll den Indo-Pazifik sicherer machen und die aggressive Machtpolitik Chinas eingrenzen. Dass Frankreich da ausgeschlossen wurde, verträgt sich nicht mit den globalen Machtinteressen der „Grande Nation“! Und der französische Ärger ist durchaus verständlich, denn immerhin ist Frankreich die einzige Atommacht in der EU und Vetomacht im UN-Sicherheitsrat.

Auch Außenminister Maas hat sich in New York empört geäußert und die Zuverlässigkeit der USA erneut infrage gestellt. Und der außenpolitische Beauftragte der EU, Josep Borrell stellte fest, dass der neue Sicherheitspakt AUKUS deutlich mache, dass die EU eine eigene Verteidigungs- und Sicherheitsstrategie entwickeln müsse, insbesondere für den Indo-Pazifik – und er sprach erneut über die erforderliche strategische Autonomie der EU.

Die Empörung von Maas wird sicher nicht sehr ernst genommen, denn die USA wissen, dass Deutschland keine eigenen außen- und sicherheitspolitischen Ziele definiert hat, die NATO-Vereinbarungen nicht erfüllt, die deutschen Streitkräfte derzeit den Einsatzfähigkeitskriterien der NATO für die Bündnisverteidigung nicht entsprechen und die Bundesmarine derzeit sehr eingeschränkt einsatzfähig ist. Die deutsche Fregatte im Indo-Pazifik hat da eher symbolpolitischen Charakter!

Und die Ankündigungen von Herrn Borrell – der sich ja auch von Herrn Lawrow öffentlich demütigen lässt – werden von den USA auch nicht sehr ernst genommen, denn die EU hat zwar 1993 mit dem Vertrag von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vertraglich begründet, die Europa in außen- und sicherheitspolitischen Fragen Handlungsfähigkeit, beispielsweise durch die Formulierung „Gemeinsamer Standpunkte“ und die Möglichkeit „Gemeinsamer Aktionen“ gewährleisten soll. Eine Auswertung aller Daten und Fakten zur GASP zeigt jedoch, dass sich die EU-Mitgliedstaaten offenkundig mit Maßnahmen symbolischer Politik zufriedengeben. Außerdem ist die EU in ihrem derzeitigen Zustand unfähig, gemeinsam zu handeln – und schon überhaupt nicht im Zusammenhang mit geopolitischen Problemlösungen! Dazu kommt, dass die EU derzeit nicht in der Lage ist, die sehr unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen der teilweise durch das Seidenstraßenprojekt schon sehr abhängig gemachten Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen China-Politik in Einklang zu bringen. Darüber hinaus wissen die US-Fachleute sehr genau, dass das Gerede von strategischer Autonomie, von einer Armee der Europäer, von einem militärisch unabhängigeren Europa oder von eigenen EU-Eingreiftruppen illusionär ist und auf nicht absehbare Zeit der Realität nicht entsprechen wird. Diese EU ist kein geopolitischer Partner mit politischem Gewicht und militärischen Fähigkeiten. Der Realist Biden bietet da der EU im Zuge der UN-Vollversammlung schon eher eine Partnerschaft bei der Bewältigung der weltweiten Corona-Impfproblematik an. Diese neu ins Leben gerufene transatlantische Partnerschaft hat das Ziel, in einem Jahr eine globale Impfquote von 70 Prozent zu erreichen. Das ist ein Ansatz mit Aussicht auf Erfolg!

Deutschland sollte sich darauf konzentrieren, die Einsatzfähigkeit der deutschen Streitkräfte bis 2031 für die Bündnisverteidigung nach NATO-Kriterien herzustellen. Und die EU sollte die Zusammenarbeit mit der NATO so neu gestalten und intensivieren, dass auch gemeinsame Einsätze der Streitkräfte europäischer NATO-Mitgliedstaaten auf der Grundlage von UN-Resolutionen möglich sind, wenn erforderlich.

Die EU sollte endlich definieren, was sie außen- und sicherheitspolitisch erreichen will und kann und solche Zielsetzungen zusammen mit der NATO in Konzepte fassen. In unserer aus den Fugen geratenen Welt hilft nur Realpolitik – Symbolpolitik ist eher schädlich!

(23.09.2021)

 

 

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