Hans-Heinrich Dieter

Frankreichs Nuklearstrategie   (09.02.2020)

 

Kurz vor der Münchener Sicherheitskonferenz hat Präsident Macron als oberster Chef der Grande Armee von einer „europäischen Dimension“ des französischen Atomwaffenarsenals gesprochen und den Europäern einen „strategischen Dialog“ mit dem Ziel angeboten, eine gemeinsame europäische Sicherheitskultur zur Wahrung der „vitalen Interessen“ Europas hervorzubringen. Dabei will er dieses Projekt nicht als Konkurrenz zur NATO, sondern als deren Verstärkung verstanden wissen.

Wir erinnern uns an die überspitzte und schädliche Aussage von Macron im Herbst 2019: „Was wir gerade erleben, ist für mich der Hirntod der NATO.“ Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass auf die USA als westliche Führungsmacht – auch als Führungsnation der NATO – kein Verlass mehr ist. Das schwächt die NATO allerdings erheblich, macht sie aber noch lange nicht handlungsunfähig oder gar „hirntot“! Das weiß inzwischen auch Macron, denn er versuchte bei dieser Rede vor der École de Guerre seine Hirntodaussage zu relativieren: „Unsere Sicherheit wird langfristig durch ein starkes Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika garantiert“.

Was will der französische Präsident also wirklich? Er will sich als sicherheitspolitischer Führer der EU in Szene setzen, er will die sicherheitspolitisch verschlafenen und knauserigen Europäer wachrütteln und zu mehr Investitionen in die gemeinsame Verteidigung animieren. Er will Europa von den USA unabhängiger machen und sagt gleichzeitig – richtigerweise – dass „unsere Sicherheit …langfristig durch ein starkes Bündnis mit den Vereinigten Staaten von Amerika garantiert“ wird. Dieses Bündnis ist die NATO, die deswegen gestärkt werden muss, um handlungsfähig zu bleiben.

Das was Macron vorschlägt, klingt ganz gut, bleibt aber illusionär. Denn die Europäische Union ist strukturell nicht entscheidungs- und handlungsfähig, hat ihre „vitalen Interessen“ noch nicht definiert, hat keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und auch keinen Zukunftsplan. Auf einen strategischen Dialog ist die EU also nicht vorbereitet. Und die EU-Mitgliedstaaten haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von der zukünftigen EU, verhalten sich zunehmend unsolidarisch und einige sogar nationalistisch. Von einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft und einer gemeinsamen „Sicherheitskultur“ ist die EU sehr weit entfernt.

Und wie und mit welchem Ziel soll ein „strategischer Dialog“ über das französische Atomwaffenarsenal geführt werden, wenn Frankreich an seinen Grundsätzen der nuklearen Abschreckungsdoktrin festhält, nach der der französische Präsident auch zukünftig allein über den Einsatz von Atomwaffen entscheidet? Es ist also zu erwarten, dass Frankreich sich auch zukünftig der Beteiligung an den nuklearen Planungsmechanismen der NATO oder einer eventuell späteren „westlichen Verteidigungsgemeinschaft“ verweigert. Im Zusammenhang mit ihren Nuklearwaffen hat die französische Solidarität wohl auch weiterhin eindeutige Grenzen. Da kann auch Macrons Vorschlag nicht befriedigen, die interessierten EU-Partner an den Ãœbungen der Force de Frappe beteiligen zu wollen.

Macrons Rede ist deswegen auch nicht wirklich visionär, sondern bleibt illusionär, weil die einzige in der EU verbleibende Nuklearmacht mit der Force de Frappe keine mit den einzigartigen US-amerikanischen Interventions- und Nuklearkapazitäten vergleichbare Fähigkeiten aufzuweisen hat. Im Vergleich zu den USA, Russland und China ist Frankreich ein sicherheitspolitischer Zwerg!

Die europäische Abhängigkeit von den USA bleibt Tatsache und deswegen ist die Sicherheit Europas nur durch eine handlungsfähige Union in engem Zusammenwirken mit einer gestärkten NATO zu gewährleisten. Das heißt aber auch, dass alle NATO-Partner ihre Verpflichtungen im Hinblick auf die Bündnisverteidigung gemäß NATO-Vertrag erfüllen – auch im Hinblick auf die vereinbarten Verteidigungsinvestitionen!

Wenn die NATO ihre Zusammenarbeit verbessert und zu stärkerer Solidarität zurückfindet, hat sie Zukunft! Nur mit der NATO ist – realpolitisch – eine gesicherte Zukunft Europas zu garantieren!

(09.02.2020)

 

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