Hans-Heinrich Dieter

Fehlende Supermachtstrategie   (08.04.2017)

 

Die USA haben in der Nacht zum Freitag knapp 60 Tomahawk-Marschflugkörper auf den Luftwaffenstützpunkt Shayrat in der Nähe der syrischen Stadt Homs abgefeuert, von dem aus syrische Kampfflugzeuge für einen Chemiewaffen-Angriff gestartet sein sollen. Niemand hatte mit so einer scharfen Reaktion der Supermacht USA auf den mutmaßlichen syrischen Giftgasangriff gerechnet. Das liegt an der bisherigen unentschlossenen Politik Obamas im Zusammenhang mit dem syrischen Bürgerkrieg, an dem fehlenden außenpolitischen US-Konzept und der nicht definierten Strategie für Syrien und den Nahen Osten sowie an daraus folgenden und durch die Persönlichkeit Trumps begründeten krass widersprüchlichen, unbedachten und teilweise törichten politischen Aussagen. Deswegen ist dieser Tomahawk-Angriff wohl als eine spontane Strafaktion eines „tatkräftigen Trump“ einzuordnen, die emotional begründet und zu nicht geringen Teilen innenpolitisch motiviert ist.

US-Präsident Trump hat erst vor wenigen Tagen gesagt, dass der Sturz Assads im syrischen Bürgerkrieg für die USA keine Priorität mehr habe und sie sich auf die Niederlage des IS konzentrieren wollten. Noch unlängst hatte er auch gesagt, dass ein gleichzeitiges militärisches Vorgehen gegen den Islamischen Staat und gegen die syrische Regierung töricht wäre. Außerdem hieß es von US-Seite, dass das syrische Volk darüber entscheiden müsse, wie es mit Assad weitergeht. Und dann der überhastete, völkerrechtlich zweifelhafte Militärschlag, dessen Auswirkungen nicht zu Ende gedacht scheinen. Und als „neue Politik“ formuliert US-Außenminister Tillerson, dass die Vereinigten Staaten nun Schritte vorbereiteten, die die Absetzung des syrischen Präsidenten Assad zum Ziel hätten. Die Supermacht USA verursacht so eine nur schwer kalkulierbare sicherheitspolitische Situation und zeigt sich unberechenbar.

Die Botschaften, die US-Präsident Trump mit seiner Strafaktion sendet, haben aber durchaus auch positive Aspekte. Syriens Präsident Assad wird aufgezeigt, dass er nicht mehr auf die Unentschlossenheit der USA setzen kann und dass die USA Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht länger dulden. Russland, das als Verbündeter von Assad mit seinem Veto UN-Sicherheitsrats-Entscheidungen bereits siebenmal blockiert und sich mitschuldig gemacht hat, weiß nun, dass die USA in Syrien wieder aktiv werden und zu Militärmaßnahmen bereit sind. Und da Russland kein Interesse an einer weiteren Eskalation des Konfliktes und an einer Konfrontation mit den USA in Syrien haben kann, wird es gegebenenfalls auf Syrien mäßigend einwirken, so dass die USA keine Veranlassung für weitere Militärschläge haben. Den Vereinten Nationen und ihrem Sicherheitsrat haben die USA deutlich gemacht, dass sie sich die unwürdige Blockade durch Russland im Zusammenhang mit Syrien nicht mehr bieten lassen. Nikki Haley, Donald Trumps Vertreterin bei den UN,machte sehr deutlich, wenn es auf internationaler Ebene nicht weitergehe, dann müsse man eben allein handeln. Man hoffe zwar, dass es dazu nicht komme - aber die USA seien zu mehr bereit. Das kann zu stärkerer Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft führen. Und nebenbei haben die USA China und Nordkorea aufgezeigt, dass sie durchaus bereit sind, zur Durchsetzung ihrer Interessen militärische Gewalt anzuwenden.

Die langfristigen realen Auswirkungen der sicherheitspolitischen Volte Trumps lassen sich aber noch nicht wirklich kalkulieren. Möglich ist auch, dass die erforderliche Zusammenarbeit zwischen Moskau und Washington zur Lösung des Syrien-Konflikts deutlich erschwert oder sogar zunichte gemacht wurde. Russland hat die Kooperation mit den USA zur Koordinierung der Flugbewegungen in Syrien zunächst aufgekündigt. Der Bürgerkrieg in Syrien ist mit dem Luftschlag in eine neue Phase getreten und es ist gut vorstellbar, dass alle Seiten nun ihre Aktivitäten verstärken und dadurch das Leiden der Zivilbevölkerung verschärfen, was eine verstärkte Flüchtlingswelle nach sich ziehen kann. Und wenn die USA sich bei weiterem Scheitern von politischen Friedensbemühungen für ein stärkeres militärisches Engagement in Syrien entscheiden, dann kommen sie um den Einsatz von US-Bodentruppen nicht herum. Dafür stehen dann als einzige Verbündete die kurdische YPG im Norden Syriens zur Verfügung, die allerdings vom NATO-Partner Türkei bekämpft werden.

Wenn man militärische Maßnahmen ergreift, sollte man sehr genau wissen, was man in welcher Qualität in welchem Zeitraum für welche sicherheitspolitische Zielsetzung zu tun bereit ist. Dazu braucht man ein Konzept und eine Strategie, die haben die USA nicht. Es ist beängstigend, dass die Supermacht USA solche sicherheitspolitischen Herausforderungen spontan zu bewältigen sucht. Die SÃœDDEUTSCHE ZEITUNG formuliert das plastisch: „So ist das heute in Washington: Da sitzt ein Wutbürger, der Marschflugkörper losschicken kann.“ Da kann man nur hoffen, dassUS-Außenminister Tillerson die stark belasteten Beziehungen zu Russland positiv beeinflussen kann, wenn er am kommenden Mittwoch in Moskau seinen russischen Amtskollegen Lawrow trifft. Denn eine Lösung der vielschichtigen Probleme auf dem Weg zu einem Frieden in Syrien wird es nicht durch die handlungsunfähigen Vereinten Nationen geben, sondern nur durch Zusammenwirken der USA und Russlands.

(08.04.2017)

 

 

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