Hans-Heinrich Dieter

FDP, zwischen Trauerspiel und Hoffnung   (27.10.2012)

 

Die einzige liberale Partei Deutschlands kämpft in einer Art um ihr Ãœberleben, dass man sich Sorgen machen muss. Für den Niedergang der Liberalen – zumindest in den Umfragen – gibt es viele Gründe. Die Medien unterstützen mehrheitlich linke oder sozialdemokratische Politik und haben sich massiv auf die „wirtschaftsliberale Klientelpartei“ eingeschossen, die Partei selbst kommuniziert liberale Politik unbeholfen, teilweise ungeschickt und präsentiert sich thematisch zu eingeschränkt auf Wirtschaftsliberalismus und Steuersenkungen fixiert, die Bürger sind zunehmend politisch wenig gebildet und daher zunehmend unmündig, der Rundum-Sorglos-Bürger ist mehr an der Absicherung durch den starken Staat interessiert als an der Freiheit und Verantwortlichkeit des einzelnen mündigen Menschen und das Erscheinungsbild der in Verantwortung stehenden Politiker/innen der FDP lässt teilweise stark zu wünschen übrig. An guten liberalen Ideen und Vorstellungen fehlt es dabei nicht.

Wer das neue Grundsatzprogramm der FDP liest, versteht sehr schnell, warum wir in Deutschland auch zukünftig dringend eine liberale Partei brauchen. Der erste Kernsatz lautet: „Die FDP steht allein – als Partei der Freiheit.“ Das wird in mehrdeutigem Sinn im politischen Alltag und sehr augenfällig in der medialen Welt sehr deutlich. In der Politik ist das Programm einer Partei wichtig, die Politik muss aber von guten Politikern glaubwürdig vertreten und kommuniziert werden.

Dem Parteichef zu Beginn der Legislaturperiode, Guido Westerwelle, war das gute Wahlergebnis von 15% zu Kopf gestiegen, er und die FDP waren erkennbar weder programmatisch noch personell darauf vorbereitet, das gute Wahlergebnis vorteilhaft in die Koalitionsverhandlungen einzubringen. Als Außenminister hat Westerwelle zu Beginn in Begleitung seines Ehepartners höchst ungeschickt agiert und an Glaubwürdigkeit eingebüßt, sodass seine unbestreitbaren Erfolge und unermüdlichen sowie guten Bemühungen um die Stellung Deutschlands in der Welt weniger Anerkennung finden als verdient. Der spätere Parteichef, Philipp Rösler, wollte liefern, hat das aber bisher noch nicht erkennbar und für die Öffentlichkeit nachvollziehbar umgesetzt. Er wirkt weder positiv in die Partei hinein noch in die Öffentlichkeit. Deswegen wird er auch nicht entsprechend ernst genommen, auch wenn er das Richtige sagt, und die Mehrzahl der Medien hat Spaß daran, auch das Richtige in das Gegenteil zu verdrehen. Der politisch erfahrene Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle vertritt liberale Politik glaubwürdig, man hat ihm allerdings einen Ruf angedichtet und angehängt, der geeignet ist, auch sehr ernsthafte Darlegungen weniger tragfähig erscheinen zu lassen. Die professionellste Politikerin aus der FDP-Ministerriege, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, macht mutig und prinzipientreu liberale Politik, hat sich aber offenbar ein wenig demotiviert zurückgezogen. Der Gesundheitsminister Bahr bemüht sich in einem sehr schwierigen Umfeld, hat aber keine durchschlagenden und nachhaltigen Erfolge und deswegen auch keine für die Partei positive Wirkung. Entwicklungsminister Dirk Niebel gefällt es, mit seiner Bundeswehrmütze durch die Welt zu reisen und wirkt so, als wollte er in der kurzen verfügbaren Zeit noch möglichst viel „Auslandserfahrung“ machen und möglichst nicht auf der innenpolitischen Bühne erscheinen. Mit einer geschickteren und weniger anrüchigen Personalpolitik in seinem an sich überflüssigen Ministerium wäre er glaubhafter und vertrauenswürdiger erschienen. Der vormalige FDP-Generalsekretär und jetzige Landesvorsitzende NRW Christian Lindner ist sicher hochintelligent und ein guter Redner, aber er scheint mehr an sich und seiner Karriere interessiert als an der Partei. Der jetzige Generalsekretär wirkt nicht immer geschickt aber furchtlos und ist eher ein Typ, an dem sich Medien und der politische Gegner gerne abreagieren. Und da kein Mensch fehlerfrei ist, birgt das im tagtäglichen poltischen Gefecht erhebliche Risiken. Silvana Koch-Mehrin wurde bekannt durch nachweisliche Faulheit als Europa-Abgeordnete und durch die Aberkennung ihres Doktortitels. Der Abgeordnete Jorgo Chatzimarkakis ist überführter Plagiator und trat in der Diskussion um die Rolle Griechenlands in der Schuldenkrise eher als Grieche denn als FDP-Abgeordneter auf. Kubicki mag im ländlichen Schleswig-Holstein die FDP über die 5%-Hürde heben können, seine Rolle als „Parteifreund“ spielt der zweifelhafte Charakter aber eher negativ im Hinblick auf das Parteiansehen. Der Sprecher der FDP im Haushaltsausschuss Koppelin vertritt sicher liberale Positionen kraftvoll, hat aber kürzlich vor dem Bundestag den Verteidigungsminister aufgefordert, dem Inspekteur der Luftwaffe öffentliche Äußerungen zur Beschaffung von Kampfdrohnen für die Bundeswehr zu untersagen. Ein solches Plädoyer zugunsten eines Maulkorbs für Generale ist eines liberalen Abgeordneten unwürdig. Die Abgeordnete Elke Hoff, die segensreich als Sprecherin der FDP im Verteidigungsausschuss wirkt, hört leider – sicher auch ein wenig frustriert – 2013 auf. Und der parlamentarisch Geschäftsführer van Essen ist ein vornehmer Mensch und in der öffentlichen Wahrnehmung als Gentleman eher unscheinbar.

Das wäre sicher alles zu verkraften, wenn die FDP-Verantwortungsträger und die FDP-Fraktion gleichlautend vereinbarte liberale Politik mit kraftvoller Stimme und selbstbewusst vertreten würden. Dem Parteichef, dem Fraktionsvorsitzenden und dem Generalsekretär gelingt es aber nicht, den erforderlichen Gleichklang zu bewirken. So wirkt nicht nur die schwarz-gelbe Koalition heillos zerstritten, sondern auch die Kakophonie der FDP abstoßend. Die Medien und die Opposition nutzen das weidlich aus und schlagen hauptsächlich auf die FDP ein.

Das führt dazu, dass die Umfragen zwischen 3 und 4 % schwanken, und das legt Nerven blank. Statt an liberalen Grundsätzen orientierte Politik prinzipientreu zu vertreten, zeigt sich die FDP mal populistisch, mal stur, mal kurzfristig kampflustig, dann wieder längerfristig nachgiebig, oder die Herren Verantwortungsträger versuchen sich in Polit-Deals mit dem Koalitionspartner, die nicht an der Sache und an liberaler Zielsetzung orientiert sind. Es fehlt erkennbar die Linie. So wird es schwer, die Beine wieder auf den Boden zu bekommen und mit dem richtigen Anlauf bei der nächsten Bundestagswahl die 5% zu überspringen.

Das alles macht auf liberal denkende Bürger – die heute ohnehin Mut brauchen, wenn sie sich als FDP-Wähler „outen“ – einen schlechten Eindruck und wirkt deprimierend. Ich werde trotzdem, zumindest mit der Zweitstimme FDP wählen, weil mich das neue, breiter angelegte liberale Grundsatzprogramm überzeugt, weil zumindest eine Partei für die Freiheit mündiger Bürger und für die Marktwirtschaft – und damit für den Erhalt unserer Demokratie – eintreten muss und weil Deutschland deswegen eine Liberale Partei im Spektrum der Parteienlandschaft braucht.

Die FDP hat, trotz der derzeitigen personellen Schwächen und der von der Öffentlichkeit als unzureichend wahrgenommenen liberalen Politik, gute Chancen, wieder in den Bundestag einzuziehen, weil die SPD durch den Spagat zwischen Kanzlerkandidat und linken Sozialisten belastet ist, die CDU sich unter Merkel zum Leidwesen konservativ denkender Bürger übermäßig flexibel versozialdemokratisiert, die Grünen ihren Zenit trotz Baden Württemberg und Stuttgart mit dem verbrauchten Personal Trittin, Künast, Roth scheinbar erreicht haben und weil die Piraten sich für den letzten Gutgläubigen als politikunfähig erweisen und sich im Streit entblöden. Für freiheitsliebende, gebildete und mündige Bürger gibt es nur ganz wenige Alternativen. Der FDP werden die 5% allerdings nicht in den Schoß fallen, sie muss schon mit gutem Personal glaubwürdig für die liberale Idee werben. Das neue Grundsatzprogramm ist da eine gute Grundlage.

(27.10.2012)

 

 

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