Hans-Heinrich Dieter

EuropĂ€ischer Freiheitswille   (05.06.2014)

 

PrÀsident Obama hat beim Festakt in Warschau in deutlicher Sprache Polen und die baltischen Staaten der SolidaritÀt der USA sowie der NATO versichert und Russland deutlich gemacht, dass die USA bereit sind, die Freiheit der osteuropÀischen NATO-Mitglieder zu verteidigen. Das beruhigt Polen und die baltischen Staaten, die aus schlimmer Erfahrung in Sowjetzeiten Angst vor dem neuerlich aggressiven Russland haben, es schafft zunÀchst das nötige Vertrauen in die Verteidigungsallianz und trÀgt zum Zusammenhalt der europÀischen Staaten und der NATO bei.

Der US-PrĂ€sident zeigte sich aber nicht nur verbal durchdrungen von der Idee der Freiheit sondern kĂŒndigte auch ein konkretes MilitĂ€rprogramm fĂŒr Osteuropa an und will zunĂ€chst eine Milliarde US-Dollar bereitstellen, um US-Truppen in Osteuropa aufzustocken.

Die westeuropĂ€ischen NATO-Mitglieder geben sich sehr viel wankelmĂŒtiger und zögerlicher, das eigene Wohlergehen scheint wichtiger zu sein als die Idee der Freiheit. Sie wollen auf jeden Fall am Grundlagenvertrag mit Russland von 1997 festhalten und alles vermeiden, was Russland als "Provokation" missverstehen könnte. Wenn NATO-Truppen also in den osteuropĂ€ischen Staaten stationiert werden mĂŒssten, dann sollen die Truppenteile verschiedener Mitgliedstaaten rotieren und nicht dauerhaft in den baltischen Staaten und Polen bleiben. Immerhin soll das deutsch-dĂ€nisch-polnische Multinationale Korps Nordost im polnischen Stettin verstĂ€rkt und in der Einsatzbereitschaft erhöht werden. Die endgĂŒltigen Entscheidungen sind vertagt bis zum NATO-Gipfel der Staats-und Regierungschefs im September in Wales. Dann sollte auch eine NATO-Strategie zum Umgang mit der neuen Sicherheitslage in Europa erarbeitet und eine Reihe konzeptioneller Fragen zur besseren und verstĂ€rkten Zusammenarbeit in RĂŒstung und Verteidigung beantwortet sein. ZunĂ€chst hat man lediglich die LuftĂŒberwachung und die ÜbungstĂ€tigkeit moderat verstĂ€rkt. Angesicht der schwerwiegenden Russland-Ukraine-Krise wirkt das nicht sehr kraftvoll.

Die deutsche Verteidigungsministerin von der Leyen sagte denn auch bei einer Pressekonferenz: "Es ist wichtig, das richtige Maß von Selbstbewusstsein und Besonnenheit zu finden", Deutschland sei aber nicht bereit, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen. "Wir haben ein Budget von 32 Milliarden, das ist ein Wort. Man muss, glaube ich, die absolute Zahl sehen." Man muss aber auch feststellen, dass Deutschland bei den Verteidigungsausgaben innerhalb der NATO auf Platz 14 liegt, weil es anders als vereinbart statt der 2% nur 1,3% des Bruttoinlandproduktes fĂŒr Verteidigung aufwendet. Da ist noch nichts erkennbar von der in MĂŒnchen angekĂŒndigten verstĂ€rkten Verantwortung Deutschlands im Rahmen internationaler Sicherheitspolitik. Mehr Verantwortung hieße auch mehr eindeutiges und gegebenenfalls auch kostspieliges Engagement.

Das ĂŒberlassen wir gerne den USA und deswegen freut sich Frau von der Leyen auch ĂŒber die Finanzierungszusagen der USA fĂŒr das MilitĂ€rprogramm Osteuropa: "Ich halte das fĂŒr ein sehr wichtiges und sehr gutes Zeichen, denn das signalisiert noch einmal das klare Engagement der USA fĂŒr Europa." Es wundert nicht, dass das Vertrauen unserer polnischen und baltischen Partner in Deutschland als NATO-Partner nicht stark ausgeprĂ€gt ist.

Denn Polen und die baltischen Partner wollen jetzt auch von den westeuropĂ€ischen Mitgliedstaaten der NATO konkrete Antworten, sie fordern glaubhafte Abschreckung und die klare RĂŒckversicherung der BĂŒndnispartner, im Falle eines Angriffs nicht nur beistehen zu wollen, sondern es auch zu können. Da bleibt noch viel zu tun. Nicht ohne Grund fordert der GeneralsekretĂ€r des BĂŒndnisses, Anders Fogh Rasmussen: "Wir mĂŒssen die NATO fitter, schneller und flexibler machen."

Die NATO-Partner halten die Russland-Ukraine-Krise fĂŒr schwerwiegend. Rasmussen stellt fest: "Russland hat gezeigt, dass es bereit ist, Gewalt einzusetzen, um Grenzen neu zu ziehen. Um neue GrĂ€ben in Europa aufzureißen. Und um souverĂ€ne Nationen zu destabilisieren, um seine geopolitischen Ziele zu erreichen." Russland ist derzeit kein "Partner" sondern eine Bedrohung und dadurch ist das VerhĂ€ltnis zu Russland schwer beschĂ€digt. Deswegen kann die NATO auch nicht nach alten Schemata verfahren, sondern muss sich neu orientieren.

Bei dieser Neuorientierung könnten sich die westeuropĂ€ischen NATO-Mitglieder durchaus ein wenig an der auf intensiver Erfahrung mit dem stalinistischen und sowjetischen Russland begrĂŒndeten Skepsis der osteuropĂ€ischen Mitgliedstaaten ausrichten und deren Sorgen und intensiven Freiheitswillen ernster nehmen. Und Illusionen sind fehl am Platze, mit Russland als sicherheitspolitischem Partner im Sinne der Grundakte von 1997 werden wir erst wieder vertrauensvoll zusammenarbeiten können, wenn es seine derzeitige aggressive und expansive Politik grundlegend Ă€ndert und bereit ist, das Völkerrecht und die SouverĂ€nitĂ€t seiner Nachbarn zu achten.

Vertrauen ist gut, wenn es gerechtfertigt wird. Derzeit ist glaubhafte Abschreckung besser!

(05.06.2014)

 

 

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