Hans-Heinrich Dieter

EU-Sicherheitspolitik nach einem Brexit   (08.01.2019)

 

Präsident Macron und Kanzlerin Merkel haben im November 2018 ihre jeweilige Vision und die Notwendigkeit einer Europäischen Armee zum Ausdruck gebracht. Die Idee ist nicht neu, denn Kommissionspräsident Juncker hatte in seinem konzeptionellen Vortrag schon von der „Europäischen Verteidigungsunion“ gesprochen. Im November 2016 wurde bei einem Außen- und Verteidigungsministertreffen der EU das Projekt einer engeren sicherheitspolitischen Zusammenarbeit, PESCO („Permanent Structured Co-operation“) von EU-Staaten gestartet, das Deutschland und 22 andere EU-Staaten dann angenommen und sich so zu einer weitgehenden militärischen Zusammenarbeit verpflichtet haben – nicht mit im Boot sind Dänemark und Großbritannien, Irland, Malta und Portugal. Die Teilnehmerstaaten haben sich auch zur Einhaltung von 20 ziemlich konkreten Bedingungen, wie zum Beispiel eine regelmäßige Erhöhung der Verteidigungs-Ausgaben, die Beteiligung an gemeinsamen Rüstungsprojekten und die Bereitstellung von Soldaten für die Krisenreaktionskräfte der EU verpflichtet. Und im Juli 2017 hat sich schon Verteidigungsministerin von der Leyen im Vorfeld des deutsch-französischen Ministerrates, bei dem die zukünftige Sicherheitspolitik ein Schwerpunkt der Agenda war, für „eine “Armee der Europäer” stark gemacht, die souverän bleiben aber wesentlich stärker zusammenarbeiten soll“. Da ist es erstaunlich, dass die zerstrittene und teilweise gespaltene Europäische Union angesichts eines bevorstehenden Brexits so weitgehende außen- und sicherheitspolitische Ãœberlegungen anstellt wohl wissend, dass die mit Abstand stärkste und führungsfähigste Militärmacht Europas die EU verlassen wird. Und wenn es nicht gelingt, nach dem Brexit zügig eine tragfähige und konstruktive politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit zu ermöglichen, ist es nicht unwahrscheinlich, dass Großbritannien dann eine sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit der EU ablehnt. Und da die Realisierung einer „Europäischen Verteidigungsunion“ oder einer „Armee der Europäer“ in den nächsten zwei Jahrzehnten nicht gelingen wird, wäre die EU ohne die Kooperation Großbritanniens sicherheitspolitisch noch unbedeutender und noch handlungsunfähiger.

Großbritannien ist Nuklearmacht, erneuert gerade zwei seiner Flugzeugträger und erhöht dadurch seine Interventionsfähigkeit mit einer Marine, die einsatzstärker ist als die Seestreitkräfte Frankreichs und Deutschlands zusammen, ganz erheblich. Nach den Vereinigten Staaten hat das Land den größten Wehretat innerhalb der NATO. Und Großbritannien zeichnet sich auch durch eine globale militärische Präsenz aus. Die EU verliert mit Großbritannien also seinen militärisch leistungsfähigsten Mitgliedstaat, ohne selbst über „eigene“ militärische Mittel zu verfügen.

Mit dem Brexit wird sich allerdings an der britischen NATO-Mitgliedschaft nichts ändern. Anders als Frankreich ist Großbritannien Mitglied der Nuklearen Planungsgruppe der NATO und seine nukleare Abschreckung wird weiterhin dem Schutz des gesamten NATO-Gebietes dienen, denn für die Briten ist und  bleibt die NATO der Kern europäischer Geopolitik und allgemeiner Garant des Friedens in Europa. Außerdem hat Großbritannien angesichts der aggressiven russischen Politik kürzlich entschieden, seine Truppen in Deutschland über das Jahr 2020 stationiert zu lassen.

Deswegen ist es für die europäischen NATO-Partner wichtig, sich den NATO-Vereinbarungen entsprechend stärker für die gemeinsame Einsatz- und Verteidigungsfähigkeit der NATO einzusetzen, weil nur sie eine hinreichende Bündnisverteidigung Europas gewährleisten kann. Deswegen darf es keine kostenintensiven und bürokratischen sicherheitspolitischen EU-Strukturen geben. Denn alles was die NATO derzeit schwächt und beeinträchtigt, ist unserer Sicherheit abträglich!

 Solange die EU ihren derzeit desolaten und maroden Zustand eingeschränkter Entscheidungsfähigkeit und mangelnder Durchsetzungsmöglichkeiten durch grundlegende Strukturreformen nicht überwunden hat, sollte sie als politische  Organisation den engen sicherheitspolitischen Schulterschluss mit der NATO suchen und mit ihren gemeinsamen Mitgliedern den europäischen Beitrag zur NATO erheblich verstärken. Solche Anstrengungen machen dann auch für die USA ihren Verbleib im transatlantischen Bündnis attraktiver.

Durch den Brexit wird die EU geschwächt, die NATO wird außen- und sicherheitspolitisch dadurch nicht beeinträchtigt. Auch deswegen bleibt die NATO mittelfristig der einzige glaubwürdige und handlungsfähige Garant der äußeren Sicherheit und Verteidigung Europas, den die europäischen Mitglieder nach Kräften und schwerpunktmäßig stärken müssen. Die EU muss erst einmal ihre Hausaufgaben machen und nach langen Jahren endlich eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik definieren und sich auf dieser Grundlage - die NATO unterstützend - einbringen.

(08.01.2019)

 

 

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