Hans-Heinrich Dieter

Erschreckend undemokratisch   (09.01.2015)

 

"Lügenpresse, halt die Fresse!" ist ein ganz schlimmer Slogan, dessen sich Teile der PEGIDA-Demonstranten bedient haben. Die Empörung demokratisch eingestellter Bürger über solches zum Ausdruck gebrachte Gedankengut ist da nicht nur verständlich sondern geboten. Die Reaktionen vieler Politiker und Medienvertreter bedürfen allerdings der kritischen Betrachtung.

Die überregionalen Medien haben über knapp zehn Wochen PEGIDA überhaupt nicht wahrgenommen bzw. thematisiert. Als die Teilnehmerzahl von 10.000 Montags-Demonstranten in Dresden auch von den Politikern in Berlin nicht mehr zu übersehen war, gab es sehr schnelle Reaktionen. Man kannte noch kein Programm der "Bewegung", wusste aber inzwischen, dass PEGIDA für "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" steht. Ohne Diskurs wurden die 10.000 Bürger, die ihr Demonstrationsrecht und das Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, von Politikern pauschal als „rechtspopulistisches Bündnis“ bezeichnet, verteufelt und in die rechtsextreme und fremdenfeindliche Ecke verbannt.

Der zuständige Innenminister de Maizière hält die Bezeichnung "Patriotische Europäer" öffentlich für "eine Unverschämtheit". Er kann nicht nachvollziehen, dass diese Bürger auf der Grundlage ihres Rechtes auf Meinungsfreiheit mit dieser Namensgebung wohl zum Ausdruck bringen möchten, dass sie sich engagiert für Zukunft Deutschlands in Europa einsetzen wollen. Und Patrioten sind in Deutschland ohnehin verdächtig. Statt sich mit Inhalten und Hintergründen des Protestes auseinanderzusetzen, hat man zunächst einen verurteilten rechtsradikalen Organisator ausfindig gemacht. Da gilt dann einfach „pars pro toto“.

Der nordrhein-westfälische Innenminister Jäger verurteilt die Proteste scharf und wirft den Initiatoren der Demonstrationen ohne öffentliche Auseinandersetzung mit Zielen und Hintergründen pauschal vor, sie schürten mit ausländerfeindlicher Hetze Vorurteile und Ängste, außerdem bereite es ihm Sorge, dass Rechtsextremisten aggressiv Stimmung machten. Dann hetzt er selbst gegen die Demonstranten und bezeichnet sie als "Nazis in Nadelstreifen." Und der CDU-Innenexperte Bosbach meint die Bürger vor einer Teilnahme an PEGIDA-Demonstrationen mit dem Allgemeinplatz warnen zu müssen, man sollte sich nicht für extreme politische Ziele instrumentalisieren lassen, die man selbst nicht teile. Bosbach hält, ungewohnt arrogant, viele der Demonstranten - ohne sie zu kennen und sich mit ihnen auseinandergesetzt zu haben - wohl für politisch unmündig und nicht entscheidungsfähig. Und die „extremen politischen Ziele“ hat aber noch niemand ernsthaft diskutiert. Aber für sachliche Auseinandersetzungen und Recherchen haben weder zahlreiche Politiker noch viele Journalisten Zeit. Mit Diffamierungen, Verleumdungen, Abdrängen in die rechtsextreme Ecke kommt man vor Mikrofonen und in Medien besser und plakativer rüber. Justizminister Heiko Maas, der als zuständiger Verfassungsminister die Grundrechte der Bürger nicht nur kennen sondern auch beherzigen sollte, findet die Demonstrationen "widerlich" und sagt, alle politischen Parteien sollten sich klar von den Protesten distanzieren. Diese Politiker sind nur beispielhaft genannt für erschreckend undemokratisches Verhalten von Volksvertretern.

Medien sollen die Bürger auf der Grundlage gewissenhafter Recherche informieren, Politik erklären und auch politische Meinungen zur Diskussion stellen. Dabei sind Unabhängigkeit und Neutralität Grundprinzipien. Die Medien waren aber überrascht, für Recherche war wohl keine Zeit, und deswegen haben sie sich an Diffamierungen, Verleumdungen und am Abdrängen der Demonstranten in die rechtsextreme Ecke beteiligt und sind so mitschuldig geworden. Der STERN bezeichnet die Teilnehmer an PEDIGA-Kundgebungen denn auch pauschal: „Eine dubiose Mischung aus Rechtsextremisten, Hooligans und frustrierten und besorgten Wutbürgern ..., Menschen, die sich abgehängt und ausgegrenzt fühlen, die Angst haben, nicht mehr wahrgenommen zu werden von der Politik.“ Die MÄRKISCHE ODERZEITUNG meint sogar urteilen zu müssen: „Vereint im bislang friedfertigen Hass geht es gegen alles, was den in der Masse emotional erstarkenden Kleinbürgern gegen den Strich geht. Es schüttelt einen. Denkfaule Wutbürger kompensieren ihre Abstiegsängste mittels Demonstrationen gegen Asylsuchende. Das ist beschämend.“ Bei solchen beschämenden journalistischen Leistungen schüttelt es einen tatsächlich!

In der Folge bessert sich die journalistische Leistung nicht. Eine Journalistin spricht ahnungsarm von "selbsternannten Patrioten", als ob der Bundespräsident Patrioten ernennen würde. Ein Journalist des MDR macht einen "Faktencheck" und stellt fest, dass Dresdener Bürger aufgrund der geringen Anzahl von Migranten in der Stadt und in Sachsen offensichtlich überhaupt kein Recht haben gegen Ãœberfremdung zu demonstrieren. Dass die Bürger, schon von ihrem Namen her, europäisch denken könnten, merkt der sächsische Provinz-Journalist nicht. Und da die Journalisten immer wieder voneinander abschreiben, vervielfältigen sich die stigmatisierenden Begriffe "Wutbürger", "Frustbürger", "Islamfeindlichkeit", "Rechtsradikale", "Dumpfbacken",.... . Gut zu begründende Ängste werden pauschal zu "diffusen Ängsten" bauchgesteuerter Kleinbürger herabgewürdigt. Der Begriff „Abendland“ wird, im Vorfeld des Festes für die drei Weisen aus dem Morgenland, zum Kampfbegriff hochstilisiert, den die Nazis auch schon einmal benutzt haben. Man scheut halt keinen noch so an den Haaren herbeigezerrten „Beweis“, dass die Demonstranten Rechtsradikale und Nazis sind. Und noch immer haben offenbar bisher wenige das 19-Punkte-Programm von PEGIDA eingehend studiert, das seit dem 10.12.2014 im Netz verfügbar aber nur unzureichend diskutiert ist. Der AfD-Politiker Gauland hat es gelesen und in den Medien kurz positiv dazu Stellung genommen. Aber wenn ein AfD-Politiker das positiv sieht, dann braucht man ein solches Programm wohl nicht zu prüfen und öffentlich zu diskutieren, denn es kann ja nur rechtsradikal und ausländerfeindlich sein - oder will man sich die Vorurteile nicht nehmen lassen? Angesichts solcher journalistischen Leistungen dreht sich einem der Magen um!

Dann kommt der Slogan "Lügenpresse, halt die Fresse!" in den Fokus. Die Medien sind betroffen und geschockt. Unter Schock kann man nicht vernünftig nachdenken und entsprechend handeln. Die Idee, dass hier ein tiefer Vertrauensverlust schlecht artikuliert werden könnte, kommt den Medien erkennbar nicht. Journalisten begleiten dann die Demonstrationen und suchen sich für zu veröffentlichende Bilder und Interviewversuche genau die heraus, die wie "rechtsradikale Dumpfbacken" aussehen und sich dann Medienvertretern gegenüber ablehnend verhalten. Den Reportern ist es wohl nicht gelungen, unter den 10.000 Demonstranten den gut gekleideten besorgten Normalbürger zu identifizieren – oder wollten sie die überhaupt nicht finden? Und wenn man dann nicht die "richtigen" und "authentischen" Dumpfbacken findet, dann spielt ein Reporter des RTL halt die Dumpfbacke, damit die Story, wie möglicherweise in der Redaktionskonferenz gefordert, in den Kasten kommt. Selbst ein seriöser Journalist wie Kohler von der F.A.Z. thematisiert ein singuläres Demonstrationsschild mit der Aufschrift "Putin hilf!", um eine vermeintliche Sehnsucht der Demonstranten nach einem „Führer“ nachzuweisen. Beschämend! Und da wundern sich Medienvertreter, dass die Demonstranten die Berichterstattung für unzutreffend und manipuliert halten? Die Fähigkeit zu Selbstkritik ist auf jeden Fall bei vielen Medienvertretern bisher nicht zu erkennen, dazu hat man schon zu sehr Partei ergriffen und sich in einen teilweise medialen Hass hineingesteigert.

Und nun fühlen sich alle ein wenig wie "Charlie" im unermüdlichen, mutigen und selbstaufopfernden Kampf gegen die "Unanständigen" und für Pressefreiheit. Und mitten im Kampfgetümmel ist der Adrenalinspiegel hoch und der Blick ein wenig tunnelig. Deswegen schreibt Kohler in der F.A.Z. nach dem Pariser Attentat von einer "Kriegserklärung an die ganze freie Welt. Die Pressefreiheit ist, wie es das Bundesverfassungsgericht schon vor einem halben Jahrhundert ausdrückte, „schlechthin konstitutiv“ für den demokratischen Rechtsstaat. Er kann es nicht zulassen, dass Männer mit Kalaschnikows und Panzerfäusten bestimmen, was man sagen, schreiben, zeichnen und auch nur denken darf. Ein solcher Meinungskampf wäre das Ende der freien und offenen Gesellschaft." So weit, so richtig! Dann heißt es weiter. "In vielen europäischen Ländern gibt es Sammlungsbewegungen, die, wie nun auch in Deutschland, gegen ´die Islamisierung des Abendlandes` antreten. Und auch hier, im Abendland, ist Hass anzutreffen, der in Gewaltphantasien mündet, auch in Bezug auf die ´Lügenmedien`, gegen die auf den Demonstrationen der Pegida gehetzt wird. So hieß es in einer Zuschrift an diese Zeitung: ´Ich freue mich schon drauf, wenn in den Nachrichten zu sehen ist, wie ein wütender Mob ihre Redaktion in Brand steckt und sie gelyncht werden. So etwas kennen wir ja bereits aus der Geschichte (die sich meistens wiederholt)`". Schon der Domprobst hatte eine unter vielen Mails zur Abschaltung der Dombeleuchtung erhalten, in der der Name Hitler vorkam, da wollte die F.A.Z. wohl nicht nachstehen.

In seinem kämpferischen Eifer für die eigene Sache und das Ego übersieht Herr Kohler aber, dass nicht nur Karikaturen Teil der westlichen Meinungsfreiheit sind, sondern dass man auch sehr deutlich sagen kann, wenn man sich falsch wiedergegeben oder manipuliert fühlt. Demonstrationen sind selten Anlässe für geschliffene Wortwahl, als Slogan eignet sich da eher das Plakative. Das Ergebnis war das unschöne Wort von der „Lügenpresse“. Die Medien sollten den Schaum aus den Mundwinkeln wischen und einfach besser, unabhängiger, gewissenhafter, souveräner und glaubwürdiger werden, um tatsächlich „konstitutiv“ für unsere demokratische Gesellschaft sein zu können. Wenn man wie Kohler das abscheuliche Attentat in Paris als „Blut auf die Mühlen“ der PEGIDA-Demonstranten darstellt und so eine Verbindung zwischen fanatisierten und brutalen, mörderischen Terroristen in Paris und friedlich demonstrierenden Bürgern in Dresden herstellt, erweist man der Glaubwürdigkeit des deutschen Journalismus einen Bärendienst. So kann man das nachhaltig verlorene Vertrauen vieler Bürger in unsere Medien nicht zurückgewinnen. Besonders erschreckend ist es, wenn solche Fehlleistungen einem so ausgezeichneten Journalisten einer so guten Zeitung wie der F.A.Z. unterlaufen.

Einer Studie der Bertelsmann Stiftung zur Folge meinen 61 Prozent der deutschen Bürger, der Islam passe nicht in die westliche Welt. Ein Prozent der vier Millionen Muslime in Deutschland gelten als extremistisch. Derzeit gibt es gemäß BKA etwa 260 sogenannte radikal-islamistische „Gefährder“, die besonders überwacht werden müssen. Gefährlichen islamistischen Fanatikern müssen wir auch in Deutschland mit aller Konsequenz und der gebotenen Härte begegnen. Die Politiker werden sich nach dem Attentat anstrengen müssen, einer wachsenden islamkritischen Haltung deutscher Bürger erfolgreich entgegenzuwirken, und dazu bedarf es auch glaubwürdiger Medien. Alles wird nur gelingen mit engagierter Informationsarbeit der muslimischen Verbände und Gemeinden sowie mit erkennbar stärkeren Bemühungen um eine erfolgreichere Integration unserer muslimischen Mitbürger in die deutsche Gesellschaft. Bei Erfolg solcher Anstrengungen verlaufen sich auch die neuen Montagsdemonstrationen.

(09.01.2015)

 

 

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