Hans-Heinrich Dieter

 

Diskussionen statt Emotionen (18.07.2012)

 

Die rechtliche Wertung der Beschneidung als strafbare Körperverletzung durch das Landgericht Köln ist inzwischen hinlänglich bekannt. Das Urteil hat Diskussionen in Politik und Gesellschaft hervorgerufen sowie emotionale Proteststürme von jüdischen und muslimischen Funktionären in Deutschland.

Wenn es zu Proteststürmen kommt, wird meist sehr unsachlich, sehr emotional, teilweise irrational und auch diffamierend argumentiert. Protestgeschrei lässt rationale Diskussion dann häufig nicht zu. Wenn jüdische Funktionäre in Deutschland das Kölner Gerichtsurteil in den Bereich des Antisemitismus hineinreden, wenn der Holocaust in solchen Fragen bemüht wird, dann ist das ein bekannter Reflex, dem wir leider immer wieder ausgesetzt sind. Wenn diese Funktionäre dann "jüdisches Leben", das in Deutschland nun nicht mehr möglich sein soll, quasi auf das Beschneidungsritual reduzieren, dann ist das einfach nur erbärmlich. Wenn Frau Knobloch natürlich eine schnelle Regelung anmahnt und sagt, "Ich bin nicht bereit, nur ein Jota jüdischer Identität aufzugeben." dann ist das lebendiger Ausdruck der Arroganz, mit der solche Funktionäre unserer gesellschaftlichen Ordnung und unserem Rechtssystem gegenüberstehen. Arroganz aus der Existenz in Parallelgesellschaften heraus ist leider nicht unüblich.

Die Religionsfreiheit ist ein hohes Gut, das es zu achten und zu respektieren gilt, allerdings natürlich unter Berücksichtigung zumindest gleichrangiger Gesetze und die körperliche Unversehrtheit ist durch das Grundgesetz geschützt. Dass die Beschneidung von männlichen Kindern - wie die Genitalverstümmelung von Mädchen in afrikanischen Kulturkreisen - eine Körperverletzung ist, wird kein gebildeter Mensch in Deutschland bezweifeln wollen. Gleichwohl sollte eine alte religiöse Tradition respektiert werden, allerdings im Rahmen der Gesetze des Landes, in dem man lebt oder in dem man Gastrecht genießt.

Wir wollen unser Menschen- und Weltbild andersgläubigen Mitbürgern nicht aufdrücken, unser Rechtssystem ist aber von allen Mitbürgern und Gästen zu respektieren. Und wenn die Bundeskanzlerin jetzt davor warnt, dass sich Deutschland im Zusammenhang mit dieser Diskussion zur „Komiker-Nation“ mache, dann nimmt sie entweder unser Rechtssystem nicht ernst genug, oder sie hat in der Fülle zu bearbeitender Probleme dieses Problem nicht richtig erkannt. Statt sich schnodderig zu äußern, sollte Frau Merkel sich darum bemühen, das Problem gesetzlich oder juristisch so schnell wie möglich zu lösen. So schnell wie möglich darf aber nicht zu hektischem, rückgratlosem oder willfährigem Umgang mit Recht und Gesetz führen.

Am Beispiel "Beschneidung" wird sehr deutlich, dass wir uns von Protestgeschrei nicht beeindrucken lassen sollten, denn die Probleme liegen tiefer. Aus vermeintlich fröhlichem Multikulti haben sich inzwischen Parallelgesellschaften entwickelt. In Deutschland gilt inzwischen leider die Scharia in viel stärkerem Maß als landläufig angenommen, denn in den islamischen Parallelgesellschaften in Deutschland wenden z.B. selbsternannte "Schlichter" die Scharia insbesondere in Ehestreitigkeiten gegen die deutschen Gesetze und deswegen auch zu Ungunsten der betroffenen, häufig zwangsverheirateten muslimischen deutschen Staatsbürgerinnen an. Hier werden Grenzen in vermeintlichen "Gottesfragen" vielfältig unter vorsätzlicher Missachtung unserer demokratischen Grundordnung eindeutig überschritten - und wir lassen uns das zum Nachteil deutscher Bürger gefallen.

Jetzt schreien eine Anzahl Rabbiner und Imame und die sattsam bekannten Funktionäre auf und die Fraktionen von Union, FDP und SPD planen, irgendwie vorauseilend und katzbuckelnd, eine gemeinsame Resolution zum Thema Beschneidung im Rahmen einer Sondersitzung des Bundestages zu anderer Thematik, während der parlamentarischen Sommerpause, ohne dass hinreichend Zeit und Gelegenheit zu einer fundierten Diskussion in den Ausschüssen und im Plenum des Bundestages gegeben ist, denn für die Aussprache sind lediglich 30 Minuten vorgesehen. Der eigentliche Souverän, also die Bürger und die Öffentlichkeit, kommen dabei auch nicht gebührend zu Wort. Dieses Verhalten unserer Politiker ist zumindest so unangemessen wie der Funktionärs-Satz, "jüdisches Leben" sei nun in Deutschland nicht mehr möglich.

Um der Religionsfreiheit willen müssen wir Klarheit und Abhilfe schaffen. Das heißt, wir müssen nach eingehender und rationaler Diskussion, Lösungen finden, wie unsere Mitbürger oder Gäste anderen Glaubens ihren Glauben, einschließlich traditioneller Riten, in Deutschland leben können, allerdings nur im Rahmen unserer Gesetze und wenn unsere Mitbürger oder Gäste bereit sind, mit uns gemeinsam in unserem gesellschaftlichen Rahmen zu leben. Dafür muss die rechtliche Basis in aller Ruhe und Gründlichkeit geschaffen werden. Wir sind eine Gesellschaft auf der Basis der Freiheitlich Demokratischen Grundordnung. Parallelgesellschaften sollten wir auf Dauer nicht hinnehmen.

(18.07.2012)

 

 

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