Hans-Heinrich Dieter

Diskreditierung der Bundeswehr   (16.07.2017)

 

Daten des Verteidigungsministeriums zur Folge haben interne Beschwerden bei der Bundeswehr über Missstände wie Rechtsextremismus, sexuelle Belästigungen oder Fehlverhalten von Vorgesetzten im ersten Halbjahr 2017 offenbar drastisch zugenommen.

Die Medien greifen das nur allzu gerne auf und veröffentlichen Zahlen. Demnach gab es bis Anfang Juli des Jahres 56 Verdachtsfälle von Fehlverhalten Vorgesetzter gegenüber Untergebenen, während 2016 insgesamt nur 28 dieser Fälle gemeldet wurden. Im Hinblick auf  Verstöße gegen die sexuelle Selbstbestimmung wurden 2017 bisher 127 Fälle gemeldet, fast so viele wie 2016 mit 128 Vorkommnissen insgesamt. Außerdem soll es im laufenden Jahr bereits 96 Meldungen wegen Vorfällen mit rechtsextremem beziehungsweise fremdenfeindlichem Hintergrund gegeben haben. 2016 zählte man insgesamt 63 Verdachtsfälle.

Ein Ministeriumssprecher wies Medien darauf hin, dass es sich bei den Meldungen zum Teil um ältere Vorkommnisse handele: „Gemeldet wurden dabei nicht nur frische neue Fälle, sondern auch eine Vielzahl alter Vorkommnisse, die aus der Perspektive der Betroffenen zuvor noch nicht angemessen bearbeitet oder gewürdigt wurden.“ Und der Sprecher folgert: „Die Sensibilität in der Truppe für Vorkommnisse, wie wir sie im Frühjahr öffentlich diskutiert haben, ist messbar gestiegen.“

Wegen Vorwürfen um sexuelle Übergriffe und rechtsextreme Tendenzen einzelner Soldaten wurde die Bundeswehr insgesamt Anfang des Jahres heftig kritisiert. Ministerin von der Leyen hat damals im Zusammenhang mit der Festnahme eines terrorverdächtigen Soldaten im ZDF harsche Kritik an der Bundeswehr insgesamt geübt und vermeintliche strukturelle Probleme in den Streitkräften eingeräumt: Die Bundeswehr habe ein Haltungsproblem, offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und auch einen falsch verstandenen Korpsgeist, durch den Informationen nicht weitergegeben worden seien. Die Soldaten der Bundeswehr empfinden sich dadurch pauschal, massiv und ungerecht kritisiert.

Die Ministerin hat daraufhin versucht, sich halbherzig selbst zu entschuldigen und es als Fehler bezeichnet, dass sie vor ihrer Kritik nicht zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Großteil der Soldaten hervorragenden Dienst leistet. Die Ministerin hat die Soldaten der Bundeswehr nicht erkennbar ehrlich und öffentlich für ihre Pauschalkritik um Entschuldigung gebeten, sie hat die Pauschalkritik auch nicht zurückgenommen und so das Vertrauen eines Großteils der Soldaten verloren.

Die öffentlichen Äußerungen der Ministerin hinterlassen den Eindruck, dass die hervorragende Dienstleistung der Einzelfall und die Haltungsprobleme die Regel seien. Anders ist nicht zu verstehen, dass von der Leyen die Bundeswehr einer „Säuberungs“-Razzia, einem Bildersturm und einer „Hexenjagd“ unterzogen hat. Und sie wollte wohl den „falschverstandenen Korpsgeist“ durch Aufforderung zur Meldung aufbrechen. Und jetzt machen offenbar immer mehr Soldaten Meldungen zum Fehlverhalten von Kameraden und Vorgesetzten - ganz sicher zu Lasten des Vertrauens und der Kameradschaft in der Truppe.

Da ist es nur verständlich, dass Medien es liebend gerne aufgreifen, wenn der von ihnen zelebrierte „Bundeswehr-Skandal“ jetzt vermeintlich mit Zahlen unterfüttert wird. Aber wie so häufig wird der Leser oder Hörer nur höchst bruchstückhaft und ausgesucht informiert, denn die veröffentlichten Zahlen sagen wenig bis nichts.

Die Bundeswehr hat ein Meldewesen. Der Soldat meldet Fehler, Fehlverhalten Verstöße gegen Recht und Ordnung seinem Vorgesetzten. Der hat die Pflicht, der Meldung nachzugehen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Der Soldat kann jederzeit nach der Wehrbeschwerdeordnung seinem Anliegen Nachdruck verleihen, wenn er die Sache nicht richtig gewürdigt sieht. Darüber hinaus kann der Parlaments-Soldat sich an den Wehrbeauftragten des Bundestages wenden, um seinem Problem abhelfen zu lassen.

Um welche „internen“ Meldungen handelt es sich also? Sind das direkte  Meldungen an den „lieben Generalinspekteur“ abseits des Dienstweges, wie viele dieser Meldungen sind anonym, wie hoch ist die Anzahl der offensichtlichen Falschmeldungen oder Denunzierungsversuche und wie viele „Altfälle“ werden jetzt zur Meldung gebracht. Wie verhält sich das „interne“ Meldeaufkommen zu der Zahl der Eingaben an den Wehrbeauftragten? Darüber hinaus wäre es wichtig zu wissen, gegen wie viele Vorgesetzte einer Dienstgradgruppe gemessen an ihrer Gesamtzahl gemeldet wurde, um beurteilen zu können, ob es sich um Einzelfälle oder ein jeweiliges „Gesamtproblem“ verschiedener Dienstgradgruppen handelt.

So sind die gemeldeten Zahlen irreführend und schüren den Verdacht, dass jetzt der Nachweis erbracht werden soll, dass die Ministerin mit ihrer Pauschalkritik doch Recht gehabt hat: „die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem, offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen und auch einen falsch verstandenen Korpsgeist, durch den Informationen nicht weitergegeben worden sind.“

Und Generalinspekteur Wieker nährt solchen Verdacht, wenn er in einem Interview des Deutschlandfunks auf die Frage, ob es einen Reformbedarf im Bereich der Inneren Führung gäbe oder ob die Vorkommnisse der letzten Zeit eher das Versagen von Einzelnen sei, zum Ausdruck bringt: Die Frage ist, „wie werden diese Prinzipien heute beherzigt und vorgelebt? Und das bedarf in der Tat einer Überprüfung angesichts der jüngeren Vorkommnisse, die man ja in der Tat auch nicht mehr als Einzelfälle bezeichnen kann. Denn ich erhalte ja täglich Meldungen über solche Verstöße. Daher möchten wir uns mit der Frage auseinandersetzen: Was hält uns eigentlich tatsächlich davon ab, diese Grundsätze so vorzuleben, wie wir es uns alle wünschen?“ Fazit: In der gesamten Bundeswehr werden also Grundsätze der Inneren Führung nicht vorgelebt! Wenn das stimmt, hat der Oberbefehlshaber der Streitkräfte Wieker hochgradig versagt!

Meine langjährige Erfahrung als Vorgesetzter von Fallschirmjäger- und Spezialtruppen lässt ein solches Urteil nicht zu, denn auch in diesen - nach Aussage des Wehrbeauftragten für rechtes Gedankengut „anfälligen“ - Truppenteilen wird hervorragender Dienst mit patriotischer Haltung, ausgeprägtem gesundem Korpsgeist, starker Kameradschaft, unter Berücksichtigung der Grundsätze der Inneren Führung und mit hohem fachlichem Können geleistet.

Die vom Verteidigungsministerium verbreiteten „Fakten“ sind unzureichend und klären nicht auf, sondern sie sind geeignet, die Soldaten der Bundeswehr erneut und weiter zu diskreditieren. Das kann eigentlich nicht im Sinne des Generalinspekteurs Wieker sein.

(16.07.2017)

 

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