Hans-Heinrich Dieter

Die Truppe ist es leid...   (30.01.2020)

 

Der Wehrbeauftragte Bartels hat seinen 5. Jahresbericht vorgelegt. Die analytische Arbeit für diese Berichte ist relativ einfach, denn bereits in seinem Bericht im Januar 2016 spricht Bartels von existenziellen Ausrüstungslücken, die im schlimmsten Fall Leib und Leben der Soldaten gefährdeten: Fast alles komme „verspätet, verzögert, voller Kinderkrankheiten, in zu geringer Stückzahl und teurer als geplant“. An dieser miserablen Lage hat sich nahezu nichts zum Besseren verändert, im Gegenteil!

Dann im Januar 2020 stellt Bartels fest: „Die Truppe ist es gewohnt, geduldig zu sein. Aber es pressiert wirklich! Unsere Bundeswehr muss seit Jahren schon genau die Aufgaben erfüllen, für die sie erst im Jahr 2031 vollständig aufgestellt und ausgerüstet sein soll: bereit zur kollektiven Verteidigung in Europa und gleichzeitig engagiert in einem Dutzend Out of area-Missionen weltweit.“ Darüber hinaus beklagt er: Fehlende Waffen, zu wenig Personal, zu viel Bürokratie, großartig angekündigte Trendwenden Personal, Material und Finanzen ohne Erfolg und 20.000 nicht besetzte Dienstposten oberhalb der Mannschaftsebene. Diese traurig machende Lage der Bundeswehr wird natürlich von Mainstream-Medien gerne für sehr kritische Kommentare aufgegriffen. Im Bonner Generalanzeiger heißt es zum Beispiel: „Die Bundeswehr ist eine gigantische Selbstbeschäftigungsmaschine, ihre Organisation ist umständlich, langsam und träge. … Mehr Geld hat den Mentalitätswechsel bisher nicht gebracht, den die Truppe auf allen Ebenen braucht, um im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um die besten Köpfe, um IT-Spezialisten oder um Ärzte zu bestehen. …“.

Hier wird durch den Provinz-Journalisten Möhle der Eindruck erweckt, dass die Truppe keine Aufträge erfüllt, sich nicht vernünftig organisieren kann und auf allen Ebenen ein wenig doof und deswegen unattraktiv ist. Herr Möhle nimmt nicht zur Kenntnis, dass die Bundeswehr in einem Dutzend Auslandseinsätze erfolgreich und wertgeschätzt militärische Aufträge erfüllt und bei Großübungen der NATO teilweise maßgeblich zum Erfolg beiträgt. Die Soldaten erfüllen ihre Aufträge professionell und unter meist erschwerten Bedingungen – mit zusammengeliehenem Material und personell zusammengestellten Kontingenten. Doch das ist nicht Schuld der Streitkräfte, sondern das Ergebnis jahrelanger Unterfinanzierung, des unorganisierten Aussetzens der Wehrpflicht sowie der Personalreduzierung der Streitkräfte im Rahmen der Friedensdividende. Für das Kaputtsparen der Streitkräfte sind eine sicherheitspolitisch desinteressierte Kanzlerin, sicherheitspolitisch unwillige Finanzminister, unfähige Verteidigungsminister und ein Bundestag, der seine Kontrollpflicht im Hinblick auf die Erhaltung der Einsatzfähigkeit „seiner Parlamentsarmee“ unverantwortlich vernachlässigt hat, verantwortlich! Und so stellt Herr Möhle fest: „Die Bundeswehr ist tatsächlich nur bedingt einsatzbereit. Mängel, Pannen und Ausfälle an vielen Ecken und Enden. Von der angestrebten Vollausstattung, die bis 2031 erreicht sein soll, sind die deutschen Streitkräfte in den allermeisten Truppenteilen sehr weit entfernt.“ Das ist im Grunde richtig, aber zu einer fairen Darstellung gehört eben auch der Hinweis auf Ursachen von Mängeln. Und wie kann man kaputtgesparten Streitkräften vorwerfen, dass sie von der bis 2031 zu erreichenden Vollausstattung noch sehr weit entfernt sind, wenn noch 11 Jahre verfügbar sind, aber der Verteidigungshaushalt sowie die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung das Erreichen dieses Zieles finanziell unmöglich werden lässt? Die Streitkräfte haben für das Wiederherstellen der Einsatzfähigkeit nach NATO-Kriterien bis 2031 ein gebilligtes Konzept, das bisher aber finanzpolitisch nicht garantiert ist. Es fehlt die für das Gewährleisten einer Vollausstattung erforderliche, finanziell abgesicherte Planbarkeit!

Und deswegen braucht die Truppe auch keinen „Mentalitätswechsel auf allen Ebenen“, um im Wettbewerb mit der freien Wirtschaft um die besten Köpfe, um IT-Spezialisten oder um Ärzte zu bestehen. Die Truppe braucht so schnell wie möglich die wiederhergestellte Einsatzfähigkeit auf der Grundlage von Vollausstattung und hinreichendem Personalbestand. Denn welcher intelligente, leistungsfähige und physisch wie auch psychisch belastbare junge Staatsbürger oder auch Staatsbürgerin verpflichtet sich zu einem risikoreichen Dienst in Streitkräften, die nicht über die hinreichende Zahl von Waffensystemen sowie über veraltete Aufklärungsmittel und IT-Ausstattung verfügen? Ein junger, intelligenter und verfassungspatriotisch eingestellter junger Staatsbürger will seinen militärischen Auftrag für Deutschland außerdem auch erfolgreich und unter erfolgsorientierten Rahmenbedingungen erfüllen können. Da der zum „Trittbrettfahrer“ degenerierte sicherheitspolitische Zwerg Deutschland, die politische Leitung des BMVg und der Deutsche Bundestag diese erfolgsorientierten Rahmenbedingungen heute und auf absehbare Zeit nicht gewährleisten, wird die Bundeswehr unattraktiv bleiben und das erforderliche Personal in der gewünschten Qualität nicht rekrutieren können.

Der Wehrbeauftragte Bartels wirkt also bei seinem Bericht zurecht desillusioniert und „verzweifelt“. Denn wenn er mit seinen berechtigten und wohlbegründeten fünf Mängelberichten seine parlamentarischen Kollegen und seine Parteifreunde nicht überzeugen und zum Handeln bewegen konnte und kann, dann muss er das auch als einen großen persönlichen Misserfolg zu Lasten der Truppe empfinden!

(30.01.2020)

 

Bei Interesse an der Thematik lesen Sie auch: 

http://www.hansheinrichdieter.de/html/eingeschraenkteinsatzfaehigebw.html

http://www.hansheinrichdieter.de/html/sanierungsfallbw-2.html

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Klare Worte