Hans-Heinrich Dieter

Die drei Bettler?   (20.07.2020)

 

Im Zuge des noch immer tagenden EU-Gipfels wurde der Ton erheblich rauer. Aus den „sparsamen Vier“ wurden in den nationalen und internationalen Medien die „geizigen Vier“, die „unsolidarischen Vier“ oder auch die „nationalistischen Vier“. Solche Stigmatisierungen durch Medien und Politiker zeugen von schlechtem Stil und von der schlechten und unsolidarischen Lage, in der sich die EU nicht erst seit der Corona-Pandemie befindet. Eine Union ist die EU derzeit nur dem Namen nach!

Luxemburgs Außenminister Asselborn drückt das so aus: „Man hat manchmal den Eindruck, dass die Europäische Union sich in vier Teile aufteilt, den Norden, den Süden, den Osten, den Westen - und man weiß nicht mehr genau, was in der Mitte das Ding zusammenhält.“ Und er spricht vom politischen „Kleinkrämergeist“ der Niederlande, Österreichs, Dänemarks, Schwedens und neuerdings auch Finnlands. Auch Röttgen, CDU, meint: Das Ausmaß von Egoismen einzelner Teilnehmer sei enttäuschend und werde der historischen Aufgabe, die Einheit Europas zu bewahren, nicht gerecht.

Dieser Umgang mit den aus meiner Sicht „die realpolitischen Vier mit gesundem Menschenverstand“ ist nicht fair und entspricht auch nicht den politischen Fakten. Denn die Hauptschenkungsempfänger Italien, Spanien und Frankreich haben schon vor Corona unsolidarisch gegen den EU-Stabilitätspakt gehandelt und es schon vor der Pandemie unsolidarisch versäumt, dringend erforderliche Strukturreformen zu realisieren. Sie sind für ihre schlechte wirtschaftliche Lage schon vor Ausbruch von Corona selbst verantwortlich! Und keiner spricht von den „unsolidarischen Drei“ oder von den „drei Bettlern“, obwohl sich Macron, Conte und Sanchez Medienberichten zufolge teilweise arrogant, dreist fordernd und herablassend gegeben haben. Es gibt also noch Stilbewusstsein!

„Die realpolitischen Vier mit gesundem Menschenverstand“ haben offensichtlich das Wohl ihrer Gesellschaften in einer Europäischen Union im Auge, die nicht gegen die eigenen Regeln zur Schuldenunion zu Lasten der zukünftigen Generationen wird. Außerdem wissen diese Vier, dass nur mit Strukturreformen in Frankreich, Italien und Spanien die europäische Wirtschaftskraft erhalten bzw. wiederaufgebaut werden kann. Und Strukturreformen, das zeigt das unsolidarische Verhalten dieser Staaten in der Vergangenheit, wird es nur geben, wenn die EU über Kredite und mögliche objektbezogene Zuschüsse eine konsequente Kontrolle ausübt.

Und alle betonen immer wieder, dass es um die Zukunft Europas ginge. Wenn die EU aber eine gute Zukunft haben will, muss sie strukturell reformiert sowie handlungsfähig gemacht werden. Das geht weit über die Corona-Problematik hinaus!

(20.07.2020)

 

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