Hans-Heinrich Dieter

Der Patient   (10.01.2014)

 

In der griechischen Mythologie war es die Aufgabe des Herakles, einen 30 Jahre nicht gereinigten Viehstall auszumisten. Keine leichte Aufgabe, denn es wird nur selten gelingen, gleich zwei Flüsse durch einen solchen Augiasstall zu leiten, um nur an einem einzigen Tag Erfolg zu haben. Deswegen hilft die Mythologie im Falle Griechenland nicht weiter, auch wenn der gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich angehäufte Schmutz das Beispiel geradezu aufdrängt. Im Falle Griechenlands ist der Vergleich mit einem Kranken treffender.

Wenn in der "Wiege der Demokratie" Schmutz angehäuft ist und eine schwere Krankheit grassiert, dann ist das höchst bedauerlich und erfordert unsere Unterstützung. Nun kommt aber noch eine schlimme Kuriosität hinzu, denn der schwer kranke Patient auf der Intensivstation ist jetzt Präsident. Diese sechsmonatige Ehre, die Griechenland nun zuteil wird, wirkt denn auch wie ein Cocktail aus Morphium und Aphrodisiakum. Der Patient tut so, als könnte er sich von den lebenserhaltenden Maschinen abklemmen, gleichzeitig beschimpft er ziemlich unflätig die Chefärzte und das Pflegepersonal wegen angeblich herabwürdigender Behandlung und droht dreist und geradezu erpresserisch mit zusätzlichen sehr kostspieligen Krankheiten für den Fall, dass man die Intensivbehandlung nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit macht, sondern die Kosten eintreibt oder die Dauerdosis hochkonzentrierten, mit Morphium gestreckten Vitamins reduziert.

Diesen Patienten besucht derzeit unser Chefdiplomat. Der Patient hält ihn - in seiner zeitweiligen Blindheit - irrtümlich für einen Chefarzt der Psychiatrie, der nicht nur psychologische Betreuung, in Form von starkem Lob und deutlicher Anerkennung, sondern auch eine "zweite Meinung" zur Therapie anbieten will. Vor allem aber hofft der Patient, dass er von der Behandlung der aus seiner Sicht wenig einfühlsamen bisherigen Chefärzte befreit und einer kostenlosen "High Wellness"-Kur unterzogen wird.

Der deutsche Chefdiplomat wird hoffentlich deutlich und verständlich machen, dass er nur der nette Diplomat ist, der keinen Rezeptblock für hilfreiche Verschreibungen dabei hat. Und er wird doch sicher keinen Zweifel daran lassen, dass auch er der festen Überzeugung ist, dass die Ursachen der schlimmen Krankheit - Korruption, Klientelismus und Politikversagen - letztendlich nur von einem Patienten überwunden werden kann, der gesund werden will und alle seine Kraft aufbringt, um die Heilbehandlung zu unterstützen.

Wir wünschen alles Gute und hoffen, dass der schwer kranke Patient in seiner Rolle als Präsident nicht andere immunschwache Patienten ansteckt.

(10.01.2014)

 

 

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