Hans-Heinrich Dieter

Der neue Bundestag   (26.10.2021)

 

Deutschland ist ein Rechtsstaat und auf der Grundlage des Grundgesetzes als parlamentarische Demokratie konstituiert. Es gilt die Gewaltenteilung und das vom Volk gewählte Parlament hat die Pflicht, im Auftrag der Bürger das Regierungshandeln zu kontrollieren. Und wie hat das Parlament in der letzten Legislaturperiode seine gesetzlich festgelegte Pflicht zur Kontrolle des Regierungshandelns im Auftrag der Bürger erfüllt? Weiterhin leider nur sehr unzureichend! Und weil es die Parteien waren, die den politischen Prozess weitgehend beherrschen und nicht das Parlament, kann man durchaus sagen, dass Deutschland in den GroKo-Jahren unter Merkel als parlamentarische Demokratie in gewissem Maße zur Parteiendemokratie „verkommen“ ist.

Der neue Bundestag ist größer, jünger und weiblicher – er ist aber mit 736 Abgeordneten viel zu groß und viel zu teuer. Der scheidende Bundestagspräsident und zukünftige Alterspräsident Schäuble forderte deshalb die Mitglieder dringend zu einer Reform des Wahlrechts auf. Da sollte Schäuble (CDU) den Mund nicht zu voll nehmen, denn er konnte – genau wie sein Vorgänger Lammert (CDU) – die Wahlrechtsreform hauptsächlich gegen den Widerstand der CDU/CSU nicht durchsetzen, zum Nachteil der Bürger und Steuerzahler, die durch dieses Versagen auch teilweise Vertrauen in ihre Volksvertreter verloren haben. Und ein zu großer Bundestag ist ja auch nicht unbedingt leistungsfähiger. Deswegen kann man nur hoffen, dass der neue Bundestag dieses Problem zeitgerecht vor der nächsten Bundestagswahl bewältigt!

Die Arbeit im neuen Bundestag wird sich auch verändern, denn die AfD ist nicht mehr stärkste Oppositionsfraktion. Diese Rolle wird wohl im Falle einer Ampel-Koalition zukünftig die CDU/CSU wahrnehmen. Und da wird es darauf ankommen, mit welchem Stil und mit welchen inhaltlichen Vorschlägen sich die CDU in dieser neuen Rolle profilieren und wieder als Volkspartei erkannt und geschätzt werden will.

Und es ist sehr zu hoffen, dass der neue Bundestag seiner Aufgabe der Kontrolle der Exekutive wieder verantwortungsbewusst nachkommt und jedem Versuch der Regierungshandelnden, ohne hinreichende Parlamentsbeteiligung und intensive Debatte durchzuregieren, entgegenwirkt. Ein visions- und planloses Weiter-Merkeln mit als alternativlos erklärten Vorhaben darf es nicht geben!

Und da ist es eine gute Botschaft, dass die Sondierungen der Ampelparteien in offensichtlich guter Atmosphäre und sachlicher Auseinandersetzung zu einem brauchbaren Ergebnis geführt haben. Es gibt aber nach meiner Einschätzung keinen Grund zur Euphorie. Denn der Ansatz, dass nun bis Nikolaus in 22 Arbeitsgruppen mit insgesamt knapp 300 Beteiligten ein Koalitionsvertrag erarbeitet werden soll, lässt nichts Gutes ahnen. Es ist zu erwarten, dass die SPD mit ihren sozialistischen Fundamentalisten wie Mützenich, Esken, Kühnert und den vielen Jusos, die mitmischen wollen, zum Ausdruck bringen wird, dass der ewig lächelnde „Wumms-Scholz“ eher eine sozialdemokratische Galionsfigur zum Generieren von Bürgervertrauen ist. Da kann man nur hoffen, dass er nicht zur Marionette degradiert wird.

Die Grünen werden auch ihre ideologischen Fanatiker und Fundamentalisten in Stellung und zur Wirkung bringen wollen, und das in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, ein Arbeitsgebiet, in dem die Grünen noch nie auf Bundesebene regierungsfähig waren!

Die FDP will mitregieren, aber nicht zu jedem Preis. Die Chancen, dass die FDP Teil der Ampel wird, sind sicher größer als bei Jamaika 2017. Das liegt aber nicht an der FDP, sondern an der positiven Entwicklung, dass die Rot/Grün-sozialisierte Merkel nicht mehr dabei ist, die damals ausschließlich die Grünen umworben sowie die FDP als „kleinen Mehrheitsbeschaffer“ inhaltlich ignoriert hat. Die FDP hat aber Grundsätze formuliert und auch teilweise in den Sondierungen durchsetzen können. Wenn das alles in den 22 Arbeitsgruppen kaputtgeredet wird, ist ein Ausstieg der FDP durchaus möglich. Und wenn dann auch noch ein Sonderparteitag der mehrheitlich sozialistischen und wenig bürgerlichen SPD im November über den Entwurf des Koalitionsvertrages abstimmen soll, ist nichts auszuschließen!

Der neue Bundestag hat eine arbeitsreiche und problembeladene Legislaturperiode vor sich. Dieser schweren Aufgabe müssen die neuen Volksvertreter zum Wohle der Bürger und im Sinne unserer parlamentarischen Demokratie bestmöglich gerecht werden!

(26.10.2021)

 

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