Hans-Heinrich Dieter

Bananenrepublik   (06.08.2015)

 

Die Versetzung des politischen Beamten Range in den einstweiligen Ruhestand ist nach dem Beamtengesetz (BBG) eine Personalmaßnahme, die der Bundespräsident auf Antrag genehmigen kann, wenn ein Vertrauensverlust geltend gemacht wird. Mit dieser Vorschrift will man die Amtsführung der politischen Beamten in bestmöglicher Übereinstimmung mit der Regierungspolitik halten. Auch wenn der § 54 BBG und der entsprechende § 50 des Soldatengesetzes vordemokratisch erscheinen, weil möglicher Willkür Tür und Tor geöffnet sind - denn es reicht landläufig gesprochen ja, wenn dem Minister die Nase des Beamten nicht mehr passt - hat der Justizminister nach geltendem Recht und Gesetz gehandelt. § 54 BBG und § 50 SG fördern aber Duckmäusertum sowie Opportunismus und sollten deswegen abgeschafft werden.

Schlimm ist die späte politische Einflussnahme von Maas auf ein ihm seit Mai bekanntes laufendes juristisches Ermittlungsverfahren, als es ihm wegen des Drucks der Medien politisch opportun erschien. Ein erbärmliches Verhalten, das der ehemalige Generalbundesanwalt - den § 54 BBG gut kennend - mit Recht öffentlich als eine "unerträgliche politische Einflussnahme auf ein laufendes juristisches Verfahren" bezeichnet hat. Jetzt hat Deutschland einen aufrechten Beamten mit Rückgrat weniger im Dienst. Es ist sehr erfreulich, dass die Berliner Staatsanwaltschaft inzwischen den Eingang mehrerer Anzeigen gegen Maas wegen Strafvereitelung im Amt bestätigt. Wenn de Maizière den § 54 BBG bei Verfassungsschutzpräsident Maaßen wegen Vertrauensverlustes geltend machen würde, weil dieser mit einer Anzeige gegen Unbekannt Straftaten gegen seine Behörde begegnen will, dann wird er hoffentlich vielfach wegen Begünstigung von Straftaten angezeigt. Was für ein tolles Bundeskabinett.

Besonders schlimm und unkultiviert ist natürlich auch die öffentliche Debatte zum Thema. Vielen in der Sache wenig gut informierten Journalisten geht es offenbar ausschließlich um die vermeintlich gefährdete Pressefreiheit. Es dreht sich in der platten Diskussion im Augenblick fast nur noch um die Frage, wer noch "gefeuert" werden muss, sollte, es zum Wohle der Pressefreiheit eigentlich verdient hätte. Um eine selbstkritische Auseinandersetzung mit möglichem Missbrauch der Pressefreiheit durch journalistische Straftäter geht es natürlich nicht, sondern man will - wie der SPD-Rechtspolitiker Fechner - allen Ernstes überlegen, wie die Pressefreiheit im vermeintlichen Polizei- und Überwachungsstaat Deutschland noch weiter gestärkt werden kann und Journalisten noch besser zu schützen sind.

Und plötzlich sind Blogger, die von den etablierten Journalisten bis vor kurzem höchst argwöhnisch angeschaut wurden, Kollegen, die es zu verteidigen gilt - mit welchen Mitteln auch immer. Plötzlich werden Blogger, die Geheimdokumente ins Netz stellen, und damit den Verrat von Staats- oder Dienstgeheimnissen begünstigen, "ehrenwerte" Whistleblower, mit denen man nicht so umgehen dürfe wie die USA mit Edward Snowden, den sie nach amerikanischem Recht und Gesetz als mutmaßlichen Schwerverbrecher verfolgen. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen hingegen wird von der SZ ein polizeistaatliches Staats- und Grundrechtsverständnis unterstellt. Hier wird eine geradezu perverse geistige Grundhaltung von einigen Journalisten deutlich.

Der Blog "Netzpolitik.org", immerhin gestaltet von einem "Chefredakteur" und einem Redakteur mit rotem Hut, ist jetzt, veranlasst durch eine "gemeinsame Initiative aus Politik und Wirtschaft", durch den Bundespräsidenten geehrt als "Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen". Chefredakteur Markus Beckedahl spricht dabei von "Schizophrenie". Bei der Verleihung sagte die Sprecherin der Initiative: "Wir denken, das, was Sie tun, das, was Sie mit Ihrem Blog schon seit zehn Jahren tun, durchaus etwas ist, was wichtig ist, für die Gesellschaft, einfach um in der Breite zu informieren. Und deswegen auch diesen Preis, in diesem besonderen Rahmen, heute für Sie!" "Chefredakteur" Markus Beckedahl spricht dabei von "Schizophrenie".

Und der Möchtegern-Snowden und Platzwart am Ausgezeichneten Ort im Land der Ideen, Beckedahl, freut sich, "dass wir eventuell als Sieger aus dieser ganzen Auseinandersetzung herausgehen, indem halt klar wird, dass diese ganzen Anschuldigungen gegen uns wie ein Kartenhaus zusammenfallen, indem klar wird, dass wir massive Spendensolidarität erfahren und quasi unser investigatives Rechercheteam noch ausbauen können, kann das natürlich sein, dass unsere "Jetzt-erst-recht"-Stimmung jetzt auch auf unsere Quellen rüberschwappt - und die halt motivierter sein werden, mehr Dokumente in Richtung investigativer Journalisten weiterzugeben, damit dieser Verfassungsschutz mal einen Tritte gegen das Knie bekommt."

Mit welch perversem Rechtsverständnis muss man gesegnet sein, um allen Ernstes feststellen zu können, dass mögliche Straftat-Vorwürfe in einem noch schwebendem Ermittlungsverfahren "wie ein Kartenhaus zusammenfallen, indem klar wird, dass wir massive Spendensolidarität erfahren." Vielmehr wird mögliche kriminelle Energie erkennbar, wenn sich Beckedahl darauf freut, dass noch mehr Verräter mit den vielen Spenden bezahlt werden können und er mit seinen Veröffentlichungen noch intensiver Beihilfe zum Geheimnisverrat leisten kann, um dem verhassten Verfassungsschutz und damit der Gesellschaft zu schaden. Jeder möge selbst entscheiden, was er von solchen "Journalisten" und einem Bundespräsidenten hält, der sich für Ehrungen solch höchst zweifelhafter Staatsbürger gebrauchen lässt.

Deutschland hat inzwischen eine miserable Debattenkultur, aber vielleicht kommt es ja noch zu positiven Ergebnissen. Eine freie Presse ist wichtig für unser Gemeinwesen, aber Pressefreiheit darf in unserem Rechtsstaat nicht schrankenlos sein. Journalisten dürfen aus dem Paragraphen 94 des Strafgesetzbuches, der den Straftatbestand des Landesverrats regelt, nicht herausgenommen werden. Eine Sonderbehandlung von Journalisten bei Straftatbeständen verbietet schon der Artikel 3 des Grundgesetzes, nach dem alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind. Es darf keine politische Einmischung in juristische Ermittlungen geben, wenn man die Politisierung der Justiz verhindern will. Der Kommentator Müller der FAZ hat Deutschland mit einer Bananenrepublik verglichen, deswegen darf man hinsichtlich positiver Ergebnisse leider nicht optimistisch sein.

(06.08.2015)

 

 

nach oben

 

zurück zur Seite Kommentare