Hans-Heinrich Dieter

Anti-Terror-Koalition   (17.12.2015)

 

Unter saudi-arabischer Führung haben sich jetzt in Riad 34 muslimische Staaten mit mehrheitlich sunnitischem Glauben zu einer Anti-Terror-Koalition zusammengeschlossen, um den Kampf einzelner muslimischer Staaten gegen islamistische Terrormilizen zu koordinieren. Das ist grundsätzlich eine positive Nachricht, denn jeder Kampf gegen die barbarischen und grausamen islamistischen Mörder ist gut und jeder koordinierte Kampf gegen die Terroristen ist besser.

Wichtig an dieser Koalition ist ebenfalls, dass nicht nur Mitglieder der Vereinigten Arabischen Emirate, sondern auch sunnitisch-muslimisch geprägte Staaten aus Afrika, wie Ägypten, Mali, Nigeria und Tschad aber auch die Türkei als direkter Nachbar Syriens teilnehmen. Damit entsteht die Möglichkeit, Terrorbekämpfungsschwerpunkte auch in Nordafrika gegen den auch dort mit Schwerpunkt Libyen Fuß fassenden „Islamischen Staat“ und auch gegen Boko Haram, al-Shabaab, sowie al-Qaida zu bilden. Schlecht ist, dass Saudi Arabiens schiitischer Rivale Iran von der neuen Koalition ausgeschlossen wurde.

Die Begeisterung westlicher Staaten hält sich auch deswegen verständlicherweise sehr in Grenzen. Denn der Verdacht ist nicht unbegründet, dass Saudi-Arabien mit dieser Koalition im sunnitisch-schiitischen Glaubens- und Stellvertreterkrieg im Nahen und Mittleren Osten eine Vormachtstellung gegen den schiitischen Iran erreichen will und die Bekämpfung des IS, den Saudi-Arabien lange mehr oder weniger offiziell unterstützt hat, als Vorwand nutzt.

Und angesichts der Lage in sowie rund um Syrien muss die westliche Welt an sich alarmiert sein. Es gibt die US-geführte Allianz, die derzeit mit einigen Erfolgen hauptsächlich Luftangriffe gegen IS-Objekte in Syrien und Irak fliegt. Teil dieser Allianz ist auch die Türkei, die allerdings mit Schwerpunkt Krieg gegen die Kurden in der Türkei aber auch in Nordsyrien und damit gegen wichtige Partner dieser Allianz führt. Dann gibt es die Allianz Russland-Syrien. Russland verfolgt eigene geopolitische Ziele und bekämpft alle Gegner Assads, auch gemäßigte Rebellen-Milizen. Assad selbst bekämpft den IS derzeit nur halbherzig, weil auch der IS gegen andere islamistische Rebellenorganisationen wie die al-Nusra Front agiert. Die schiitische Hisbollah und auch der Iran hingegen unterstützen Assad. Die Luftangriffe gegen Terrororganisationen in Syrien sind zwischen Russland und der US-Allianz sehr unzureichend abgestimmt. Der mehrheitlich schiitische Irak ist nahezu ein failed state und wird im Kampf gegen den IS durch schiitische Milizen des Iran und durch US-Luftwaffe unterstützt. Und nun stößt die saudi-arabische Koalition zu dieser militärisch unkoordinierten Anti-Terror-Gemengelage dazu. Ob das die Problemlösung erschwert oder erleichtert wird davon abhängen, welche Ziele die saudi-arabische Koalition tatsächlich verfolgt und wie die Operationen in der militärischen Praxis zu koordinieren sind.

Außerdem ist das Vertrauen der westlichen Welt in Saudi-Arabien in letzter Zeit angesichts der bekannten finanziellen Unterstützung des IS durch Saudi-Arabien und andere Golf-Staaten stark beeinträchtigt. Deutsche Politiker werfen Saudi-Arabien auch vor, durch die Finanzierung radikaler Moschee-Gemeinden indirekt den Terrorismus in Deutschland zu unterstützen. Aber nicht nur in Deutschland sind die mit Petrodollars geförderten Gotteshäuser ein Rekrutierungsbecken für Dschihadisten, Saudi-Arabien investiert weltweit Milliarden in wahabitische Moscheen. Und der Bundesnachrichtendienst hat das Königreich nunöffentlich beschuldigt, durch eine impulsive Interventionspolitik für die Destabilisierung weiter Teile des Nahen Ostens verantwortlich zu sein. Das sind keine guten Voraussetzungen für eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Wenn es der westlichen Welt also nicht gelingt, Russland längerfristig als wirklichen und aufrichtigen Partner in den Kampf gegen den IS einzubinden sowie die neue saudi-arabische Koalition zu enger Zusammenarbeit zu verpflichten, wird der IS von diesem operativen Durcheinander ohne gemeinsame Strategie, ohne ein gemeinsames tragfähiges Konzept und ohne gemeinsame militärische Führung profitieren. Der IS ist von der westlichen Welt in Syrien nicht zu zerschlagen ohne Russland, ohne Saudi-Arabien, ohne Iran, ohne die Türkei und ohne Assad. Deswegen müssen die diplomatischen Verhandlungen in Wien auch zum Ziel haben, alle wichtigen Partner an den Tisch zu bekommen und als eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung des islamistischen Terrors auch einen „Waffenstillstand“ im sunnitisch schiitischen Glaubenskrieg zu erwirken.

Bei den Verhandlungen in Wien müssen die erforderlichen Rahmenbedingungen für eine an einer gemeinsamen Zielsetzung mit gemeinsamer Strategie orientierte militärische Zusammenarbeit erarbeitet werden.

(17.12.2015)

 

 

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