Hans-Heinrich Dieter

America second!   (22.07.2018)

 

„America first”! - und „make America great again”! Das sind die sehr einfachen und für das ländliche, weniger gebildete sowie für das sehr patriotische amerikanische Wahlvolk verständlichen und ständig widerholten Botschaften und auch Zielsetzungen des US-Präsidenten Trump. Programmatisch und weltpolitisch konzeptionell hat er sich bisher nicht verständlich gemacht! Alle US-Präsidenten haben sich wohl gerne als die patriotischsten der amerikanischen Patrioten gegeben, aber Trump ist der erste, der mit ungehobeltem und beleidigendem Benehmen langjährige politische Freundschaften sowie  Bündnisse in Frage stellt und offen mit eingeschränkter amerikanischer Bündnistreue droht – und damit das Ende der werteorientierten westlichen Welt einzuläuten scheint.

Und nun trifft der krank wirkende Polit-Amateur Trump im Zuge seiner desaströsen Europa-Reise in einer Zeit auf den durchtrainierten Ex-KGB-Polit-Profi Putin, in der die Welt nicht nur aus den Fugen geraten ist, sondern auf dem Kopf zu stehen scheint. Und dabei agiert Trump politisch so ungeschickt – oder man könnte auch sagen, dass der 45. Präsident der USA als Führer der westlichen Welt und einzigen globalen Supermacht sich als so ungeeignet erweist – dass er Amerika nicht wieder groß macht, sondern Tag für Tag ein wenig kleiner! Dazu einige politische Schlaglichter.

Die USA haben derzeit keine außenpolitischen Konzepte und keine sicherheitspolitischen Strategien, die den Namen verdienen. Vielmehr ist es sehr erschreckend, wie unqualifiziert sich die einzige verbliebene Supermacht in schwierigen politischen Fragestellungen einbringt. In Syrien sind die USA durch Russland an den Rand gedrängt und werden bei Friedensverhandlungen solange nicht ernst genommen werden können, wie sie keine erfolgversprechenden Zielsetzungen haben. Bei der Bekämpfung des IS-Terrors mit der internationalen Koalition sind die USA auch nicht sehr erfolgreich, weil sie auch hier keine brauchbare Strategie verfolgen, Russland sich einer Koordination verweigert, und die USA versagen, wenn es darum geht, den „Partner“ Türkei bei der völkerrechtswidrigen Bekämpfung der kurdischen YPG in Nordsyrien im Zaum zu halten. Und in der Israel-Politik haben die USA außer wenig Sinn und Hoffnung machenden Worten und Tweets des „Big Leaders“ keine Alternative und keinen Plan B. Israel braucht keine friedensgefährdende Ermunterung zum Siedlungsbau und zur Apartheid-Politik, Israel braucht Hilfe für einen Politik-Wechsel. Kurz gesagt kann man feststellen, dass die USA als Supermacht im Nahen und Mittleren Osten seit über einem Jahrzehnt weitgehend erfolglos sind und Trump mit seiner „Politik“ das Versagen Tag für Tag steigert.

Im Pazifik sind die USA mit China konfrontiert, das einen Supermachtstatus anstrebt. Und den USA ist es bisher nicht gelungen, China davon abzuhalten, im Südchinesischen Meer Fakten zu schaffen, zum Nachteil von Japan und anderen befreundeten Anrainerstaaten. Dann stoppt Trump das pazifische Freihandels-Abkommen TPP und schafft so ein großes politisches und wirtschaftliches Vakuum, das von China gerne ausgefüllt wird. Und da die USA das Klimaschutzabkommen von Paris nicht umsetzen wollen, werden sie den zukünftigen Klimaschutz behindern aber nicht verhindern und überlassen China einmal mehr die Chance, sich als globale Führungsmacht einzubringen. Die USA isolieren sich mit ihrer derzeitigen protektionistischen Wirtschafts- und Handelspolitik tagtäglich und verringern ihre Einflussmöglichkeiten, während China weiter auf das Ziel einer führenden Rolle in der Weltwirtschaft zusteuert.

Und beim vorletzten G7-Gipfel hat Trump unter Beweis gestellt, dass er globale Außen-, Sicherheits-, Wirtschafts- und Umweltpolitik ausschließlich unter dem Aspekt amerikanischer Gewinnmaximierung zu sehen in der Lage ist, und dass die solidarische Wertegemeinschaft NATO ihn einen feuchten Kehricht schert. Sonst würde er seine NATO-Partner nicht wie Tochtergesellschaften eines US-Konzerns behandeln - allerdings mit eingeschränkten Rechten. Mit diesem aufgeblasenen und gleichzeitig erkennbar tumben Trump kann man nicht zuverlässig und tragfähig zukunftsorientierte Politik machen. Da hat Kanzlerin Merkel Recht, wenn sie die europäischen Partner dazu aufgerufen hat, ihr Schicksal mutig in die eigene Hand zu nehmen. Das wird nicht einfach werden, denn die Europäische Union ist weiterhin außenpolitisch nur stark eingeschränkt handlungsfähig. Und Deutschland wird durch seine stark unzureichenden Verteidigungsinvestitionen immer unglaubwürdiger. Aber da sich der „große Bruder Amerika“ noch nie so klein und kleinmütig gezeigt hat, war die Aufgabe nie dringlicher, die Europäische Union wieder handlungsfähig zu machen.

Und dieser Eindruck vom vorletzten G7-Gipfel wurde durch die Einlassungen Trumps beim diesjährigen G7-Gipfel in Kanada bestätigt und verstärkt und durch seine katastrophale Europareise mit dem  verstörenden Auftreten beim NATO-Gipfel und seinen unverschämten London-Besuch auf einen vorläufigen negativen Höhepunkt gebracht. Trump stellt dabei nicht nur die Institutionen NATO und EU, sondern die transatlantische Freundschaft und die westliche Staatengemeinschaft fundamental infrage und bezeichnet die EU als „foe“ gleich Feind, ohne zu begreifen, wie isoliert die USA ohne die Europäer wären. Die USA unter Trump gehen mehr und mehr sowohl in der Handels- als auch Sicherheitspolitik auf Konfrontationskurs zu ihren alten westlichen Verbündeten, steigern die antiamerikanischen Gefühle in der westlichen Welt, verlieren tagtäglich an moralischer Glaubwürdigkeit, treiben ihre Isolation voran und scheinen auf ihre Führungsrolle in der Welt verzichten zu wollen.

Trumps USA zeigen sich egoistisch, eifersüchtig, isolationistisch und bedrohlich. Und ein überforderter Präsident bringt Amerika in große Schwierigkeiten anstatt es wieder groß zu machen. Irgendwann wird ein chinesischer Präsident sagen können, „China is first, America is second!“

Durch die derzeitige US-Politik verlieren wir alle. Die EU und auch Deutschland müssen außen-, sicherheits- und wirtschaftspolitisch viel enger zusammenarbeiten, die EU muss handlungsfähiger gemacht werden und Deutschland muss sich endlich bereit zeigen, in die eigene und gemeinsame Sicherheit hinreichend und vereinbarungsgemäß zu investieren. Sonst marginalisieren wir uns selbst.

Und solange Trump für Putin ein hilfreicher, und in Helsinki geradezu unterwürfig erscheinender Partner bei der Zielsetzung ist, die NATO zu schwächen und einen Keil in die EU zu treiben, müssen wir Europäer uns unter Stärkung der NATO durch die europäischen NATO-Partner auf eigene Füße stellen und mehr Verantwortung für uns selbst übernehmen. Diese Politik muss Europa aber versuchen mit den USA zusammen zu gestalten, denn wir brauchen die USA nicht zuletzt wegen ihrer nuklearstrategischen Bedeutung und als Gegengewicht zum unverändert aggressiven Russland.

(22.07.2018)

 

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